Christen in der Verantwortung

Botschafterin Schavan sprach beim Jahresempfang von Bischof Trelle in Marienrode

In der religiös-pluralen Gesellschaft stehen Christen in öffentlicher Verantwortung, sagte Annette Schavan, die deutsche Botschafterin beim Heiligen Stuhl. Sie sprach am Donnerstagabend auf dem Jahresempfang des Hildesheimer Bischofs Norbert Trelle. An dem Empfang im Kloster Marienrode nahmen mehr als 160 Persönlichkeiten aus Kirche, Religion und Kultur, Wirtschaft, Wissenschaft und Politik sowie Verwaltung, Justiz und Medien teil.

Worin Christen ihre Verantwortung sehen würden, sei relevant in ihren Beziehungen in der Zivilgesellschaft, zum Staat und zu anderen Religionen und Konfessionen, so Schavan. „Die Bereitschaft zu dieser Rechenschaft gehört zu den Voraussetzungen für den Dialog der Religionen. Der wiederum ist unverzichtbar, wenn Religionen ihr Potential zum Frieden entwickeln sollen.“ In diesem Zusammenhang sei es erschreckend, dass die Christen heute die am meisten verfolgte Religion seien. „Die Christenverfolgung ist heute größer als in den Zeiten des frühen Christentums.“

Das wesentliche Merkmal des Christentums sei die Barmherzigkeit, sagte die Botschafterin. „Sie meint jene Hinwendung, die nicht ständig bewertet, vielmehr zu verstehen sucht, welche konkreten Nöte Menschen bewegen und belasten. Sie sieht nicht in jedem Scheitern die Abkehr von unseren traditionellen Ordnungen und überwindet die Scheu, sich den Nöten der Menschen zu stellen.“

Papst Franziskus knüpfe an seinen Vorgänger Johannes Paul II. an, der die Barmherzigkeit bereits als wesentliche Grundlage und als Schlüssel für das Verständnis des Christentums gewürdigt habe. Ein gutes Beispiel dafür ist laut Schavan die Enzyklika „Laudato si“, deren fundamentale Botschaft auf Gerechtigkeit ziele. „Sie legt dar, dass Armutsbekämpfung und Klimaschutz keine Alternativen sind, vielmehr in einem engen Zusammenhang stehen. Er ruft in Erinnerung, dass das Gemeinwohl vor Individualinteressen steht.“

Der Papst wolle die Erneuerung der Kirche durch die Erinnerung an den Ursprung des Christentums und an das Zweite Vatikanische Konzil, das mit einem Aufbruch in der Kirche verbunden gewesen sei. „Heute kann es den wieder geben. Damit ist die Chance verbunden, dass die katholische Stimme im Dialog der Religionen eine Stimme der Klärung und Aufklärung ist. Das ist letztlich eine Chance für den Frieden zwischen den Religionen und für den Frieden in der Welt.“

Annette Schavan ist Botschafterin der Bundesrepublik Deutschland beim Heiligen Stuhl. Von 2005 bis 2013 leitete sie als Ministerin das Bundesministerium für Bildung und Forschung und gehörte von 2005 bis 2014 als Abgeordnete dem Deutschen Bundestag an. Zuvor war sie zehn Jahre lang Ministerin für Kultus, Jugend und Sport in Baden-Württemberg und in den Jahren 2001 bis 2005 Mitglied des Landtages von Baden-Württemberg.