Das Gemeinwohl im Blick

Hildesheimer Bischof Norbert Trelle besuchte die Schachtanlage „Asse II“

Hildesheim/Remlingen (bph) Der katholische Bischof von Hildesheim, Norbert Trelle, hat am heutigen Mittwoch, 4. Januar 2012, mit einer mehrköpfigen Bistumsdelegation die Schachtanlage Asse II bei Remlingen besucht und sich ein Bild vom Zustand der dort eingelagerten radioaktiven Abfälle gemacht. Geführt wurde der Bischof von Wolfram König, dem Präsidenten des Bundesamtes für Strahlenschutz (BfS). Nach dem Besuch äußerte sich der Bischof zum Problem radioaktiver Abfälle wie folgt:

„Jahrzehntelanges Verschweigen und auch eine gewisse Gleichgültigkeit haben in der ‚Asse‘ zu einem Umweltskandal geführt, dessen mögliche katastrophalen Folgen noch nicht absehbar sind. Leider hat sich auch die katholische Kirche lange Zeit nicht für die Vorgänge in dieser Schachtanlage interessiert. Nun stehen wir vor der Frage, wie mit dieser Situation umzugehen ist, was mit dem Abfall zu geschehen hat. Wir haben dabei sowohl die Interessen der Menschen vor Ort in den Blick zu nehmen, als auch jene zukünftiger Generationen, die heute nicht mitentscheiden können. Wir alle müssen deshalb für die gegenwärtig und zukünftig Lebenden Verantwortung übernehmen.

Zentrales Prinzip für die gesellschaftspolitische Debatte über die Lagerung von Atommüll sollte das Gemeinwohl sein, also die ‚Gesamtheit jener Bedingungen des gesellschaftlichen Lebens, die sowohl den Gruppen als auch deren einzelnen Gliedern ein volleres und leichteres Erreichen der eigenen Vollendung ermöglichen‘, wie es das Zweite Vatikanische Konzil sagt. Dieses Prinzip ist auf die zukünftig Lebenden auszudehnen: Eine Gesellschaft, die sich nur noch für die Gegenwart interessiert, die keine Solidarität mit den zukünftigen Generationen empfindet, deren Rechte nicht anerkennt und deren Leiden verdrängt, eine solche Gesellschaft ist zutiefst inhuman.

Für die Lagerung von atomarem Abfall muss eine fachlich fundierte, gesellschaftlich akzeptable und nach Atomrecht geregelte Lösung gefunden werden. Dazu sind folgende Schritte notwendig: eine unvoreingenommene Klärung des sichersten Lagermediums, eine Öffnung auf die internationale Diskussion und eine offensive Beteiligung der Öffentlichkeit.

Die katholische Kirche kann im Blick auf die Frage der Lagerung keine rechtlichen und technischen Fragen klären, ebenso wenig vermag sie die wissenschaftlichen Lösungen zu beurteilen. Hier ist Sachkenntnis gefragt. Ich möchte mich aber ausdrücklich dem Votum der Ethikkommission der Bundesregierung anschließen, die nachdrücklich fordert, dass die Lagerung von Atommüll bei höchsten Sicherheitsanforderungen rückholbar erfolgen muss, damit zukünftigen Generationen die Option bleibt, Gefahren des Atommülls zu vermindern, wenn entsprechende Technologien verfügbar sind. Das Kriterium der Rückholbarkeit sollte auch beim Schacht Konrad, dem zu erforschenden Standort Gorleben und – wenn irgendwie möglich – bei der Asse Anwendung finden.

Als Kirche können wir Räume für offene Gespräche über Problemlösungen zur Verfügung stellen. Gerne bieten wir unsere Hilfe an, um die Kommunikation der verschiedenen Gruppen produktiv zu unterstützen. Es ist nicht unsere Aufgabe, Parteipolitik zu betreiben. Wir sehen unsere Aufgabe vielmehr in einer Moderation, die allen Standpunkten Gehör verschaffen will. Schon heute bieten die Andachten der evangelischen und katholischen Kirchengemeinden am Asseschacht Gelegenheit zu Austausch und Gebet, ebenso der Ökumenische Kreuzweg der Schöpfung am 4. März 2012, zu dem ich herzlich einlade.“