Das Kreuz mit der Wahrhaftigkeit

Katholiken diskutierten über die Ehrlichkeit in der Politik

Hildesheim (bph) Darf ein christlicher Politiker Kompromisse schließen oder muss er kompromisslos zur Lehre der Kirche stehen? Diese und andere ethische Fragen standen im Mittelpunkt einer Veranstaltung des "Verband der Katholiken in Wirtschaft und Verwaltung e.V." (KKV) – Diözesanverband Hildesheim – am Samstagmorgen im Foyer des Hildesheimer Rathauses.

Der Ökumenische Kirchentag 2003 in Berlin, das Jahr der Bibel sowie "Ehrlichkeit in Wirtschaft, Staat und Gesellschaft" waren die sehr heterogenen Themen dieses KKV-Forums im gut besuchten Hildesheimer Ratssaal. Oberstadtdirektor Dr. Konrad Deufel hatte sich als Moderator den Hildesheimer Stadtsuperintendenten Ulrich Stoebe, sowie den Bundestagsabgeordneten Jochen-Konrad Fromme vom CDU-Landesvorstand und Domkapitular Klaus Funke aufs Podium geholt.

Der Ökumenische Kirchentag in Berlin wird zwar kein gemeinsames Abendmahl der Konfessionen bringen, aber das sei auch gar nicht nötig, sagte Stadtsuperintendent Stoebe in seinem Eingangsstatement. Der Theologe erinnerte an den Gottesdienst zum Ökumenischen Kirchentag in Hildesheim im vergangenen Jahr. Auch ohne gemeinsames Abendmahl sei dies für ihn "sehr beeindruckend" gewesen, so Stoebe. Für den kommenden Ökumenischen Kirchentag in Berlin erhofft sich der Stadtsuperintendent nicht nur eine hohe Anziehungskraft auf junge Menschen, sondern auch eine intensive Auseinandersetzung mit ethischen Fragen, zum Beispiel der embryonalen Stammzellforschung. Und: Wie viel Wahrhaftigkeit muss in der Politik sein? "Was hilft es einem Politiker, die ungeliebte Wahrheit zu sagen, wenn dies für ihn den politischen Selbstmord bedeutet?" fragte der evangelische Kirchenmann und gab dem Oberstadtdirektor damit eine Steilvorlage: "Ein Politiker muss von morgens bis abends Kompromisse machen", bekannte Dr. Konrad Deufel aus eigener Erfahrung und zitierte einen Satz, den er als Kind in immer gehört habe: "Du musst nicht alles sagen, was wahr ist. Aber was Du sagst, muss wahr sein!"

"Wenn man immer die Wahrheit sagt, kann man politisch nicht gewinnen und vergibt damit die Chance, die Wahrheit durchzusetzen", sagte der CDU-Bundestagsabgeordnete Fromme in seinem parteipolitisch gefärbten Vortrag. Nach seiner Ansicht ist die Bevölkerung noch zu stark geprägt von einer "Vollkaskomentalität". Das Gefühl für den Zusammenhang zwischen Forderungen und Leistungswillen sei vielen Menschen verloren gegangen, nicht zuletzt auch durch die Politik der Bundesregierung. In den letzten Monaten habe er aber den Eindruck gewonnen, dass die Bereitschaft der Deutschen gewachsen sei, sich unangenehmen Wahrheiten zu stellen.

Ehrlichkeit war schon immer gefährlich. "Jesu’ Wahrhaftigkeit hat ihn ans Kreuz gebracht", stellte der Domkapitular und Hannoveraner Propst Klaus Funke in seinem sehr engagierten Vortrag lapidar fest. Und dennoch sei es wichtig, der scheinbaren Utopie Jesu nachzueifern. Vieles sei ja auch schon erreicht worden, meinte Funke und erinnerte an gemeinsame Friedensaufrufe verschiedener Religionsgemeinschaften in Hannover.

Die lebhafte Diskussion zeigte, wie sehr das Thema "Wahrhaftigkeit" den Nerv der Zuhörer getroffen hatte: Von den Arbeitslosenzahlen über den Irak-Krieg bin hin zu angeblich zu hohen Managergehältern kam vieles zur Sprache, was auch die öffentliche Diskussion beherrscht. Lösen könne die Politik diese Probleme nicht alleine, meinte Deufel dazu, während Funke auf die Bibel verwies. Deren zentrale Botschaft sei die Vergebung, so der Domkapitular. "Entscheidend ist die Umkehr. Man kann von anderen nur fordern, was man auch von sich selbst verlangt!"