Ein Weizenfeld des Lebens

Kirche „Herz Jesu“ in Hannover wird zum ersten Kolumbarium in Norddeutschland

Hildesheim/Hannover (bph) Die Kirche „Herz Jesu“ in Hannover-Misburg wird zu einem Kolumbarium umgebaut, also einer Aufbewahrungsstätte für Urnen. Der Hildesheimer Bischof Norbert Trelle hat das entsprechende Dekret am 30. April unterzeichnet. Am vergangenen Sonntag wurde das Schreiben in den Gottesdiensten der Pfarrgemeinde St. Martin, zu der „Herz Jesu“ gehört, verlesen. Der letzte Gemeindegottesdienst in „Herz Jesu“ soll am 24. Juni stattfinden. Diese Kirche wird das erste Kolumbarium im Bistum Hildesheim und in Norddeutschland.

Bischof Norbert Trelle hebt mit Wirkung zum 24. Juni die Weihe der Kirche auf. „Damit verliert das Kirchengebäude seine aus der Weihe hervor gegangene Zweckbestimmung als Gottesdienstraum“, heißt es in dem Dekret des Bischofs. Als Zeichen dafür soll das Allerheiligste, die Hostien, in die Pfarrkirche St. Martin übertragen werden. Danach wird die Kirche zu einer Begräbnisstätte für Urnen umgebaut. Mit Wirkung zum 2. November 2009, so sieht es das Dekret weiter vor, soll das Kolumbarium dann seiner Bestimmung übergeben werden.

Aus einem Architektenwettbewerb ist das Büro Klodwig&Partner aus Münster als Sieger hervorgegangen. Die Planung sieht vor, ein „Weizenfeld“ aus 880 Stelen in die Kirche zu bauen. Diese Stelen aus Bronzerohr werden 2,26 Meter hoch sein und einen Durchmesser von zehn Zentimetern haben. Jede soll eine bis zwei Ascheurnen aufnehmen können. Architekt Tobias Klodwig rechnet mit etwa 1.400 Urnenplätzen insgesamt. Der Name des oder der Toten wird in die Stele graviert. Den oberen Abschluss der Stele, die „Frucht“, bildet ein kreuzförmig eingeschnittener Zylinder, Ausdruck des Miteinander von Tod und Auferstehung. Als Zeichen der Heimatverbundenheit bildet loser Kalkstein aus der Region Hannover-Misburg den Boden des „Weizenfeldes“. Diesem Entwurf liegt ein Wort aus der Bibel zu Grunde, wonach ein Weizenkorn sterben muss, um Frucht bringen zu können.

Die Umbaukosten liegen bei rund 500.000 Euro. Ein Urnenplatz für 20 Jahre soll durchschnittlich 3.000 Euro kosten. 150 Plätze zum halben Preis stehen für Gemeindemitglieder zur Verfügung. Damit will die Pfarrgemeinde St. Martin langfristig alle Ausgaben für die Umbaumaßnahmen sowie für fortlaufende Kosten wie Personal, Instandhaltung der Kirche und Betriebskosten decken. Außerdem möchte die Pfarrgemeinde durch eine „Memorial-Datenbank“, einen Förderverein, Spenden und ein Trauercafé weitere Einnahmen gewinnen.

Mit der Umwidmung der Kirche „Herz Jesu“ in ein Kolumbarium werden dort keine Sonntagsgottesdienste mehr stattfinden. Allerdings ist es möglich, im Altarraum Trauerfeiern zu halten. Jeden Freitag soll in einer Eucharistiefeier der Verstorbenen gedacht werden. Außerdem gibt es Pläne, eine umfangreiche Seelsorge für Trauernde aufzubauen. Im Kolumbarium „Herz Jesu“ kann jeder beigesetzt werden, der zu einer Kirche gehört, die Mitglied der „Arbeitsgemeinschaft christlicher Kirchen“ (ACK) ist, außerdem Nichtchristen, die ein christliches Begräbnis wünschen.

Die Idee, Herz Jesu zu einem Kolumbarium umzubauen, ist eine Frucht des „Pilotprojekt Hannover-Ost“, das der damalige Hildesheimer Bischof Dr. Josef Homeyer im Jahre 2002 angestoßen hatte und das 2007 beendet wurde. Ziel dieses Pilotprojektes war, missionarische Wege der Seelsorge in größeren Seelsorge-Räumen zu erproben. Das Projekt wurde durchgeführt in der Pfarrgemeinde St. Martin, in der die Kirchen St. Martin, Maria Frieden, Herz Jesu und inzwischen auch St. Anna zusammen geschlossen sind. Im Rahmen dieses Pilotprojektes wurde auf so genannten „Profilworkshops“ und durch die Gruppe „Profilentwicklung“ in enger Abstimmung mit dem Pastoralrat die Idee entwickelt, die Herz-Jesu-Kirche zu einem Kolumbarium umzugestalten und gleichzeitig auch, einen seelsorglichen Schwerpunkt für Trauerbegleitung auszubauen. Der Pastoralrat der Pfarrgemeinde stimmte diesem Plan am 7. Juli 2008 zu und bat Bischof Norbert Trelle um die Genehmigung zum Bau des Kolumbariums. Diesem Votum schloss sich am 18. November 2008 auch der Dekanatspastoralrat des Regionaldekanates Hannover als Vertretung aller Katholiken Hannovers an. Der Priesterrat des Bistums Hildesheim hat dem Bischof in seiner Sitzung am 21. April ebenfalls mit großer Mehrheit dazu geraten.

Das geplante Kolumbarium in der Herz-Jesu-Kirche ist das erste Kolumbarium im Bistum Hildesheim und das erste in Norddeutschland. Solche Begräbniskirchen gibt es bereits unter anderem in Marl, St. Konrad (Diözese Münster) und in Aachen, St. Josef (Diözese Aachen) sowie in der Erfurter Allerheiligenkirche. In Osnabrück ist ein Kolumbarium geplant. Wo es solche Begräbnisstätten bereits gibt, sind die Erfahrungen sehr positiv. Die Zahl der Besucher in diesen Kirchen ist gewachsen und die Investitionskosten haben sich schneller als erwartet amortisiert. Die Kirchengebäude bleiben dadurch erhalten und tragen sich im wirtschaftlichen Sinne selbst.

Bischof Norbert Trelle hat klar gestellt, dass die Genehmigung des Kolumbariums in Hannover zunächst eine Ausnahme bleibt. Nach seinen Worten ist es zwar nicht ausgeschlossen, dass in Zukunft weitere Kolumbarien genehmigt werden, doch werde er alle Anträge individuell prüfen, so der Bischof.

Die katholische Kirche empfiehlt zwar nachdrücklich, den Leichnam Verstorbener zu beerdigen. „Sie verbietet indessen die Feuerbestattung nicht, es sei denn, sie ist aus Gründen gewählt worden, die der christlichen Lehre widersprechen“, so heißt es wörtlich im kirchlichen Gesetzbuch von 1983. Das haben die deutschen Bischöfe im Jahre 2005 in ihrer Schrift „Tote begraben und Trauernde trösten – Bestattungskultur im Wandel aus katholischer Sicht“ weiter ausgeführt. Sie weisen darauf hin, dass die katholische Kirche bei Einäscherungen und Urnenbestattungen mitwirkt, auch wenn sie die Erdbestattung bevorzugt. Oft gebe es ehrenwerte familiäre und auch wirtschaftliche Gründe für eine Urnenbestattung, so schrieben die Bischöfe damals.