Einstimmigkeit in Vielfalt

Der 7. Internationale Gregorianik-Kongress in Hildesheim geht zu Ende

Hildesheim (bph) Eine positive Bilanz des 7. Internationalen Kongresses Gregorianischer Choral, der am Samstag in Hildesheim zu Ende geht, hat Mitorganisator Alexander M. Schweitzer gezogen.

Vier Tage lang haben sie diskutiert und geredet, sich über Grafien der verschiedenen Schreibschulen den Kopf zerbrochen und die Archäologie der lateinischen Neumen erörtert. Und immer wieder haben sie gesungen, in kleinen Gruppen mit verschiedenen Dirigenten gregorianische Gesänge einstudiert und ihre geübten Stimmen an den alten Mauern von Domhof und Heilig-Kreuz-Kirche widerklingen lassen. Deutsche, Italiener, Amerikaner, Asiaten brachten Vielstimmigkeit an die Innerste. Im Lateinischen des Gregorianischen Chorals waren sie jedoch – einstimmig – vereint.

Bald werden die rund 180 Teilnehmer des Kongresses aus 17 Ländern in ihre Heimat zurückkehren. Aus der Bischofsstadt dürften sie wohl gute Erinnerungen mit nach Hause nehmen, glaubt Alexander M. Schweitzer, Mitglied im internationalen Vorstand der AISCGre (AISCGre - Associazione Internazionale per gli Studi di Canto Gregoriano), jener Fachorganisation, die den Hildesheimer Kongress veranstaltet hat. Grundanliegen des diesjährigen Kongresses sei es gewesen, besonders die Umsetzung der Dirigieranweisungen in Klang zu thematisieren, erklärt Schweitzer. „Neume, Geste, Stimme“ – der Titel des Kongresses machte dies deutlich. Ob die Notation in den frühen Choralhandschriften in der Form so genannter Neumen ursprünglich als Anweisung für den Dirigenten gedacht waren oder erst nachträglich aus der Dirigierpraxis heraus entstanden ist, war zum Beispiel eine der intensiv diskutierten Fragen. „Die unterschiedlichen wissenschaftlichen Positionen wurden hier in Hildesheim vertieft“ hat Alexander M. Schweitzer beobachtet.

Diese Tagung habe dem Gregorianischen Choral neue Impulse gebracht, ist sich Schweitzer sicher. Immerhin fällt der diesjährige AISCGre-Kongress, der nur alle vier Jahre stattfindet, in eine Zeit der Neuentdeckung dieser Musik. Nach dem II. Vatikanischen Konzil sei diese Musikform zunächst etwas zurückgedrängt worden. Inzwischen wächst nach Schweitzers Eindruck jedoch das Interesse wieder, was sich nicht zuletzt an den Konzerten und Gottesdiensten des Kongresses zeigte. Nicht zufällig hat auch die Popmusik den Gregorianischen Choral entdeckt. „Dieser Gesang bildet einen Kontrapunkt zu unserer hektischen Zeit, er kommt dem Bedürfnis der Menschen nach Spiritualität entgegen“, sagt Schweitzer, stellt aber auch klar: „Gregorianik-Pop hat mit dem eigentlichen Anliegen des Gregorianischen Chorals nichts zu tun!“

Um dieses Anliegen, das in Klang gekleidete Lob Gottes, zu verstehen, muss man weder Theologe noch Musikwissenschaftler sein. „Obwohl es natürlich sehr hilft, wenn man Latein kann und theologisches Grundwissen hat“ sagt Schweitzer. Allerdings: Ob die Mönche des Mittelalters tatsächlich so geklungen haben wie sich das die Fachwelt heute vorstellt, das kann auch der Theologe und Gregorianik-Experte Alexander M. Schweitzer nicht beschwören. Trotz aller Forschung – Beim Gregorianischen Choral schwingt noch immer ein Rest an geheimnisvoller Mystik mit.