Gerechtigkeit braucht Nähe

Prof. Dr. Jürgen Manemann sprach beim Neujahrsempfang des Hildesheimer Diözesanrats

Hildesheim (bph) Soziale Gerechtigkeit braucht die Nähe zum Menschen und die Fähigkeit, mit den Ausgeschlossenen zu leiden, glaubt Prof. Dr. Jürgen Manemann, Direktor des Forschungsinstituts für Philosophie Hannover (FIPH). Eine Gesellschaft, die nicht mehr mitleiden könne, werde unmenschlich, sagte der Festredner am Samstagmorgen im Bischöflichen Generalvikariat Hildesheim beim Neujahrsempfang des Diözesanrats.

„Was heißt eigentlich soziale Gerechtigkeit? Gesellschaftskritik heute“. Unter diesem Vortragstitel begab sich Manemann auf eine interessante philosophische Reise von den biblischen Propheten über Theologen und Philosophen bis zur Frage, wie nahe man eigentlich beim Menschen sein müsse, um sinnvoll Gesellschaftskritik leisten zu können. Manemanns klare Antwort: Der gesellschaftsferne Analytiker sozialer Verhältnisse tendiert zur Lieblosigkeit und Kälte. Nähe und Mitgefühl dagegen gehören „zu den wichtigsten Tugenden der Gesellschaftskritik“. Soziale Gerechtigkeit bedeutet dann nach Überzeugung des FIPH-Direktors „mit den Ausgeschlossenen zusammen klagen, wogegen sie klagen.“

Und Ausgeschlossene gibt es viele. Da sind nicht nur die Behinderten, die von manchen Menschen unbewusst als „mangelhaftes Produkt“ angesehen werden. Ausgeschlossen von den vermeintlich „normalen“ Menschen sind nach Manemanns Beobachtung auch jene, die sich nichts mehr zutrauen, die jeden Selbstrespekt verloren und sich aufgegeben haben. Aufgabe der Gesellschaft müsse es daher sein, diesen Menschen zur Selbstachtung zu verhelfen. Interessanter Nebenaspekt: „Das geht nur mit kulturellen und auch religiösen Ressourcen“, glaubt Manemann. Sozialpolitik sei daher auch immer Anerkennungspolitik und habe viel mit Bildungs- und Beteiligungsgerechtigkeit zu tun.

Nähe zum Menschen – ein Aspekt, den auch Elisabeth Eicke als Vorsitzende des Diözesanrats und Bischof Norbert Trelle in ihren Grußworten aufgriffen. Eicke zeigte sich erfreut darüber, dass der Priesterrat den Dialog mit dem Diözesanrat in den vergangenen Wochen intensiviert habe, was Trelle nach eigenen Worten auch weiter unterstützen will. Aber dieses Gespräch müsse nicht nur nach innen, sondern auch nach außen gepflegt werden, ergänzte das Bistumsoberhaupt. Das Bistum werde das Gespräch mit Politik und Gesellschaft und nicht zuletzt mit den anderen Religionen führen. Zu den großen Herausforderungen des neuen Jahres zählt Trelle den Umgang mit Menschen, die illegal in Deutschland leben und den Kampf um die Religionsfreiheit. Der Bischof ist fest davon überzeugt, dass nur jene Gesellschaften eine Zukunft haben, die eine freie Wahl der Religion garantieren. Musikalisch untermalt wurde der Neujahrsempfang von der Hildesheimer A-cappella-Gruppe „Fivestyle“.

Der Diözesanrat der Katholiken ist die oberste Vertretung der Katholiken im Bistum Hildesheim. Er berät den Bischof und nimmt zu Fragen des öffentlichen Lebens Stellung. Der Diözesanrat setzt sich zusammen aus Vertretern der Dekanate, kirchlicher Verbände und Berufsgruppen sowie der Orden im Bistum. Der Bischof kann zudem Personen in den Diözesanrat berufen und ernennt einen Bischöflichen Beauftragten. Die Amtszeit beträgt vier Jahre.