Im Geiste der Vorfahren

Englische Benediktiner besuchten nach 200 Jahren erstmals Kloster ihrer Vorgänger in Lamspringe

Hildesheim/Lamspringe (bph) 200 Jahre nach der Vertreibung durch die Preußen haben am Samstag englische Benediktiner zum ersten Mal wieder offiziell die ehemalige Benediktinerabtei von Lamspringe bei Hildesheim besucht. Höhepunkt der Reise war die Teilnahme an der Wallfahrt zu Ehren des irischen Heiligen Oliver Plunkett, der in der Klosterkirche verehrt wird.

Die 13-köpfige Reisegruppe aus England war mit drei Äbten englischer Benediktinerklöster hochrangig besetzt: Neben den Äbten von Ampleforth und Douai, Timothy Wright und Geoffrey Scott, hatte sich auch Richard Yeo der Reisegruppe angeschlossen. Er ist nicht nur Abt der Abtei von Downside, sondern zugleich auch Abtpräses der englischen Benediktinerkongregation und damit deren offizieller Sprecher.

Im Geiste immer dabei waren auch jene englischen Benediktiner, die im Januar 1803 auf Befehl der preußischen Regierung das Kloster Lamspringe aufgeben mussten. 160 Jahre lang, seit 1643, hatten sie in Lamspringe gewirkt, das fast verfallene Kloster samt Kirche wieder aufgebaut und eine Schule geführt.

Daran erinnerten Henning Ehbrecht, Bürgermeister des Fleckens Lamspringe und Samtgemeindebürgermeister Wolfgang Pletz beim Empfang der Reisegruppe im ehemaligen Speisesaal des Klosters. "Wir wissen, was Ihre Vorfahren für uns getan haben und sind dankbar dafür", gab Henning Ehbrecht den englischen Gästen mit auf den Weg. "Auch wir bedanken uns für die Gastfreundschaft, die unsere Mitbrüder damals durch die Menschen von Lamspringe erfahren durften", entgegnete Abtpräses Richard Yeo, bevor er sich mit den anderen Äbten in das Goldene Buch von Lamspringe eintrug.

Neben der ausführlichen Besichtigung der Klosterkirche stand auch ein kurzer Ausflug nach Bad Gandersheim und zum ehemaligen Kloster Clus auf dem Besuchsprogramm. Geistlicher Höhepunkt der Reise war die Teilnahme an der Oliver-Plunkett-Wallfahrt am Samstagnachmittag. Einige Gebeine des 1975 heilig gesprochenen irischen Bischofs sind in der Klosterkirche von Lamspringe begraben. Oliver Plunkett wurde 1625 in Irland geboren und 1669 vom Papst zum Erzbischof von Armagh und Primas von Irland ernannt. Wegen der anti-katholischen Gesetze in England konnte Plunkett jedoch nur im Verborgenen wirken. Unter Vorwänden wurde er verhaftet und nach einem Schnellverfahren 1681 in London enthauptet.

1643 haben die englischen Benediktiner die Reliquie von der Insel an die Lamme gebracht. Doch es gibt noch andere bleibende Erinnerungen an die Engländer: ein "Heimweh"-Altar in der Klosterkirche zum Beispiel, der mit englischen Motiven an die ferne Insel erinnert. Umgekehrt sei das Andenken an Lamspringe selbst nach 200 Jahren in der englischen Benediktinerkongregation noch sehr frisch, sagte Abtpräses Richard Yeo. Davon zeugt nicht zuletzt ein historisches Symposium über Lamspringe, das vor wenigen Monaten in der englischen Abtei Ampleforth stattfand. "Ich bin froh, dass die Verehrung von Oliver Plunkett in England, Irland und Deutschland und unsere gemeinsame Geschichte stärker gewesen sind als die Erfahrung zweier Weltkriege", sagte Abtpräses Yeo.

Das ehemalige Kloster Lamspringe wurde 847 von dem sächsischen Grafen Ricdag und seiner Frau Imhildis als Benediktinerinnenkloster gegründet. Gegen den Widerstand der Nonnen konnte die Reformation in Lamspringe erst 1568 durchgesetzt werden. Aus dem Benediktinerinnenkloster wurde ein protestantisches Damenstift. Durch den 30-jährigen Krieg kam Lamspringe zum katholischen Fürstbistum Hildesheim. Die Klostergebäude wurden an die Mönche der englischen Benediktiner-Kongregation vergeben, die am 19. Oktober 1643 in Lamspringe einzogen. 1803 bereiteten die Preuße im Zuge der Säkularisation der mönchischen und englischen Tradition in Lamspringe ein Ende.