"Kirche ist heilig und sündig zugleich"

34. Studientag Ökumene beschäftigt sich mit der Frage der Heiligkeit der Kirche

„Kann die Kirche sich selbst wirklich noch heilig nennen?“ Diese Frage hat der 34. Studientag Ökumene aufgeworfen. Die Antwort darauf ist vor allem eines – alles andere als einfach.

Zu Beginn des Studientages gibt es eine Programmänderung für die gut 100 Teilnehmer im Ökumenischen Kirchencentrum Hannover-Mühlenberg: Der katholische Referent, Dr. Burkhard Neumann vom Johann-Adam-Möhler-Institut für Ökumenik aus Paderborn, war erkrankt. So übernimmt die eigentlich für die evangelische Seite vorgesehene Referentin, Professorin Dr. Ulrike Link-Wieczorek von der Carl von Ossietzky Universität Oldenburg, den Part in das katholische Verständnis der Heiligkeit der Kirche einzuführen. „Auch so geht Ökumene“, erklärt der Vorsitzende der Ökumenekommission des Bistums Hildesheim, Pfarrer Dr. Dieter Haite.

Ulrike Link-Wieczorek erinnert daran, das in jedem Gottesdienst der Glaube an die Heilige Kirche bekannt wird. Die Kirche kenne vier Wesensmerkmale: Es ist die „eine, heilige, katholische, apostolische Kirche“. So werde im Credo, im Glaubensbekenntnis gebetet.

Für die Theologin ist die kritische Anfrage an diese Heiligkeit gerechtfertigt – in beiden Kirchen. Nicht nur wegen des sexuellen Missbrauchs an Kindern und Jugendlichen durch Amtsträger: „Wir sind so entsetzt über die Dimension dieser Taten, dass andere dunkle Flecken schnell ins Abseits geraten“. Die Vorsitzende des Kammer für weltweite Ökumene bei der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) hat dabei einen globalen wie geschichtlichen Blick: das Unterstützen diktatorischer Regime, das Gutheißen von Kriegen mit nationalistischen Absichten, Finanzskandale und nicht zuletzt die Schuld, die die Kirche durch die Ermordung von Juden, der Shoa, auf sich geladen haben.

Dennoch sage die katholische Lehre: Diese Kirche ist heilig. Sie müsse sogar  „heilig genannt werden, weil sie nicht nur Zeichen, sondern auch Werkzeug Gottes ist“, betont Ulrike Link-Wieczorek im Rückgriff auf Texte von Papst Johannes Paul II..

Zwar verstehe die Katholische Kirche die „Heiligkeit der Kirche angesichts unheiliger Ereignisse.“  Die Sünden der Vergangenheit müssen genau geschrieben werden, weil sie bis ins Heute reichen. Doch diese Sünden seien die Schuld der Kinder der Kirche, nicht der Kirche selbst.

Für die Katholische Lehre ist die Kirche die Inkarnation, die Verkörperung von Jesus Christus. Deshalb sei sie frei von Schuld. Mehr noch, führt Link-Wieczorek aus: „Die Heiligkeit der Kirche ist ein Sein, mit dem Menschen sich ihrer eigenen Sündhaftigkeit stellen können.“ Ohne heilige Kirche gebe es nicht die Möglichkeit zu Buße und Umkehr: „Heiligkeit und Sünde sind also miteinander verschränkt.“ Das berge die Gefahr der Mystifizierung, der Überhöhung, der Heiligkeit der Kirche.

Das evangelische Verständnis der Heiligkeit der Kirche sei nüchterner, erläutert Link-Wieczorek: „Kirche ist heilig und sündig zugleich“. Sie ist eher ein Ort, „wo das Evangelium gepredigt und die Sakramente verwaltet werden“. Heilig sei sie nur insofern, weil die Kirche Anteil habe an der Gabe Gottes. Auch hier sieht Link-Wieczorek eine Gefahr: das Auseinanderfallen in eine heilige Kirche, die im Himmel verklärt werde, und den Menschen, die sündig im wirklichen Leben bleiben.

In beiden Kirchen gibt es aber theologische Entwicklungen, die diesen Gefahren begegnen wollen: „Und es gibt überraschend gemeinsame Antworten.“ Diese theologischen Konzepte fußen zum einen auf der „ständigen Erneuerungs- und Reinigungsbedürftigkeit der Kirche – mit Umkehr und Buße als Werkzeugen. Zum anderen: Die Glieder der Kirche sind als pilgerndes Volk Gottes unterwegs – „auf dem Weg in die Vollendung, in einer Welt in der sie Gotteserfahrungen machen.“ Insofern sei Kirche „heilig, weil sie die von Gott geliebte Sünderin ist“.