„Noch einmal, bitte!“

Reiner Kunze las beim Aschermittwoch der Künstler in der Dombibliothek

Hildesheim (bph) Mit Gedichten und kleinen Aphorismen erfreute Schriftsteller Reiner Kunze am Aschermittwoch rund 300 Zuhörer in der Hildesheimer Dombibliothek. Kunze las im Rahmen des „Aschermittwoch der Künstler“ aus eigenen Werken.

Leicht und luftig kommen sie daher, mit einem Hauch Ironie und einem lustigen Augenzwinkern: die Texte von Reiner Kunze. Da ist zum Beispiel die kleine Geschichte mit dem Dom von Köln, der nicht in den Himmel kommen kann, weil er zu groß und zu schwer ist. Daher kommt der Himmel, wenn er auf die Erde kommt, in den Dom, „das ärgert Rom“.

Es sind solche kleinen Gedichte, die das Können des renommiertren Autors zeigen. Alltägliche Begebenheiten, oft genug Banalitäten, gewinnen durch die Sicht des Autors plötzlich eine neue Bedeutung. So etwa wenn der Ehemann im Flugzeug an der Seite seiner Frau sinniert, das Tröstliche bei einem Absturz sei, dass keiner von beiden den anderen überleben würde. Ein schrecklicher Gedanke – und tröstlich zugleich.

Überhaupt strahlen die Text des Autors, die er aus „Am Sonnenberg“ zitierte, viel Menschlichkeit und Wärme aus, wie auch Bischof Norbert Trelle in seiner Einführung sagte. Kunze blieb dieser Verbindlichkeit auch in seinem Auftreten verpflichtet. Man möge ihm ruhig sagen, wenn er einen Text noch einmal lesen solle, sagte er seinen Zuhörern. Nicht nur bei dem wunderschönen Gedicht zum Dom hieß es daher aus den Reihen der Zuhörer: „Noch einmal, bitte!“

Reiner Kunze wurde 1933 als Sohn eines Bergarbeiters in Oelsnitz im Erzgebirge geboren. Nach dem Studium der Philosophie und Journalistik in Leipzig kam er in Konflikt mit der SED und musste als Hilfsschlosser arbeiten. 1962 ließ er sich als freier Schriftsteller nieder. Nach Erscheinen seines bekanntesten Buches „Die wunderbaren Jahre“ wurde er 1977 aus dem Schriftstellerverband der DDR ausgeschlossen und siedelte in die Bundesrepublik über. Kunze lebt heute in Bayern und veröffentlicht neben Gedichten auch Prosatexte und Kinderbücher. Zuletzt erschien seine Gedichtsammlung „lindennacht“. Ausgezeichnet wurde Reiner Kunze unter anderem mit dem Georg Büchner-Preis (1977) und dem Friedrich Hölderlin-Preis (1999).

Reiner Kunze hat jahrzehntelang tschechische und slowakische Lyrik übersetzt. Dadurch ist Kunzes Sprache leise und präzise, durchsetzt mit melancholischen und sanft ironischen Untertönen.