Pilger wie alle anderen

Stefan Mispagel und Martin Tigges werden am 22. Mai zu Priestern geweiht

Hildesheim (bph) Am Samstag vor Pfingsten, 22. Mai, weiht Bischof Norbert Trelle Stefan Mispagel (33) und Martin Tigges (35) um 10 Uhr in der Hildesheimer Basilika St. Godehard zu Priestern. Aus diesem Anlass lädt das Priesterseminar am Freitagabend zuvor um 20 Uhr zu einer Andacht mit eucharistischer Anbetung in die Pfarrkirche Heilig Kreuz ein.

Der Praxisschock ist ausgeblieben. Es war offenbar ein schönes und erfüllendes Diakonatsjahr, das Mispagel und Tigges nach ihrer Diakonenweihe am 28. März vergangenen Jahres angetreten haben. Die wichtigen, aber auch zeitraubenden Aufgaben eines Priesters blieben ihnen dabei noch weitgehend erspart. Sie durften sich in Gebiete einarbeiten, für die ihnen später vermutlich einmal die Zeit fehlen wird. Mispagel etwa, der in der Pfarrgemeinde St. Martin in Hannover-Ost großstädtische Seelsorge kennen gelernt hat, engagierte sich unter anderem im kirchlichen Hospiz Luise, wo er am Tisch mithalf, aber auch ein offenes Ohr hatte für die Hospizbewohner und Mitarbeiter.

Zuhören, Zeit haben, einfach da sein für die Menschen – das hat auch Tigges bewegt. Im eher ländlich geprägten Alfeld, wo er zur Pfarrgemeinde St. Marien gehörte, führte Tigges viele Einzelgespräche, hat sich aber auch in der Ministrantenarbeit und bei den Erstkommunionkindern engagiert.

In wenigen Tagen werden beide die Rechte, aber auch die Pflichten eines Priesters haben. Mit welchen Gefühlen wagen sie sich an diese Aufgabe? Mit großem Respekt, aber ebenso großer Vorfreude, das merkt man beiden an. Schon im vergangenen Jahr haben die Menschen ihnen viel Vertrauen entgegengebracht, erzählen sie übereinstimmend. Auch als Priester wollen sie „mitten zwischen den Menschen stehen“, wie Tigges es ausdrückt. Der angehende Priester versteht sich dabei als „Diener an der Einheit.“ Alle Menschen sollen in seiner Pfarrgemeinde eine Heimat finden können. Nicht als Führer der Gläubigen sondern als „Pilger wie alle anderen“ sieht sich auch Stefan Mispagel. Der Priester der Zukunft werde wohl nicht vor dem Volk Gottes her wandern sondern mit ihm gemeinsam nach dem richtigen Weg suchen, glauben beide Weihekandidaten und wollen versuchen, dies als Priester glaubwürdig zu leben.

Stefan Mispagel ist zusammen mit seinen zwei älteren Brüdern in Giesen aufgewachsen. Geboren wurde er im katholischen Bernwardskrankenhaus in der Bischofsstadt Hildesheim und legte hier an der Innerste am Bischöflichen Gymnasium Josephinum 1996 sein Abitur ab. Nach der Reifeprüfung blieb er zunächst in der Bischofsstadt und machte eine Ausbildung zum Bankkaufmann bei der Dresdner Bank. 1998 begann er das Studium der Wirtschaftswissenschaften an der privaten Universität Witten/Herdecke und schloss dies 2003 mit dem Diplom ab. Daraus hätte eine geradlinige Karriere in der freien Wirtschaft werden können – wurde es aber nicht. „Ich habe gespürt, dass das nicht alles sein konnte“, verrät Mispagel rückblickend. Den Wahlspruch seiner Universität „Zur Freiheit ermutigen, soziale Verantwortung fördern, nach Wahrheit streben“ nahm er wörtlich und gönnte sich im Jahre 2000 eine Auszeit von einem halben Jahr. In einer Missionsstation südlich von Madras in Indien arbeitete er gemeinsam mit einem Pfarrer an einem Schulprojekt der „Aktion Indien e.V.“, die Jahre zuvor von seinem Vater mitgegründet worden war. Sechs Monate, die ihn sehr beeindruckt haben und zu einer ungewöhnlichen Erkenntnis brachten: „Ich habe bei dem Missionspfarrer erleben dürfen, wie reich ein Leben sein kann, das in einem unbedingten Gottvertrauen und der Liebe zu Gott gründet.“ So folgte dem Wirtschaftsstudium ohne Umwege bis zum Herbst 2008 das Theologiestudium bei den Jesuiten von St. Georgen bei Frankfurt. Drei Semester seines Studiums verbrachte Mispagel in München, wo er insbesondere seine Liebe für die Liturgie entdeckte. Dort bewegte ihn vor allem die Frage, wie Gottesdienste gestaltet sein müssen, damit Kirchenferne sich angezogen fühlen.

Martin Tigges stammt aus dem Bistum Münster. Dort, in Epe bei Enschede an der holländischen Grenze, wuchs Tigges mit seiner älteren Schwester als Sohn „katholischer Sauerländer“ auf und war viele Jahre Jungkolping-Mitglied. Nach dem Abitur 1994 zog es ihn zum Studium der Ökonomie an die Universität Hannover. Bis 1998 studierte Tigges dieses Fach, doch glücklich war er mit seinem Studium da schon lange nicht mehr. Es folgten mehrere Jahre praktischer Arbeit im Bereich Marketing. Angestellt war er in dieser Zeit bei zwei Marketingagenturen und einem großen Nahrungsmittelhersteller. „Auf Dauer hat mich das aber auch nicht ausgefüllt“, sagt Tigges heute. Seine ehrenamtliche Mitarbeit in der katholischen Pfarrgemeinde Heilig Kreuz in Hannover-Altwarmbüchen – wo Tigges all die Jahre wohnte – gab seiner Suche dann eine neue Richtung. Bei der Arbeit mit der Firmgruppe spürte Tigges, dass dies sein Berufsweg werden könnte und das Vorbild des Pfarrers bestärkte ihn darin. So trat Martin Tigges 2003 ins Bischöfliche Priesterseminar ein und studierte bis zum Sommer 2008 Theologie an der Philosophisch-Theologischen Hochschule PTH St. Georgen in Frankfurt, denn inzwischen fühlte er sich dem Bistum Hildesheim stärker verbunden als dem Bistum Münster, da ihm die Pfarrgemeinde Heilig Kreuz zu einer neuen geistlichen Heimat geworden war. Zwei Semester hat Tigges zudem bei den Salesianern in Benediktbeuern studiert.