Wetterauer Ortsumgehungen

Autor Andreas Maier las beim Aschermittwoch der Künstler in der Dombibliothek

Hildesheim (bph) Seit Andreas Maier kennt man die Wetterau. Seit Aschermittwoch, 22. Februar, versteht nun auch Hildesheim diesen hessischen Landstrich unweit des „Apfelweinprovinzschnarchnests“ Frankfurt am Main. Denn in der Dombibliothek verwöhnte Autor Andreas Maier die zahlreich gekommenen Zuhörer im Rahmen des „Aschermittwoch der Künstler“ mit hintergründigen Einblicken in seine Herkunft.

 

Die Wetterau, heimelige Heimat. Land des Äppelwoi und des Licher-Bier. Eine Gegend in der man sich zwanglos beim Baumarkt trifft. Und das Land, aus dem Autoren wie Andreas Maier stammen. Mit einer Mischung aus Süffisanz, Humor und sehr viel Hassliebe erzählte Maier aus seiner Heimat. War es autobiographisch, gut nacherzählt oder genial erfunden? Egal: Die vermeintliche Erzählung seines Werdegangs würzte der Autor in der Dombibliothek jedenfalls mit einer Bissigkeit, die jedem Wetterauer Hofhund zur Ehre gereichen würde. Wo sonst wäre es möglich, dass ein ehemaliger Stammbesucher des Friedberger Jugendzentrums – „wo dröhnendes Antispießigsein ganz schön anstrengend war“ – sich zu einem vernünftigen Bürger wandelt, dessen „Traum eines gelungenen Lebens“ darin besteht, am Samstag zum Stammtisch zu gehen, danach ins Stadion der Frankfurter Eintracht und schließlich am Sonntag den Odenwald zu erwandern?

Keine Frage: Andreas Maier findet die meisten Themen seiner zahlreichen Romane in seiner Heimat. Da ist der Verwandte „J“, den Maier ebenso hasserfüllt wie liebevoll als stinkende Zangengeburt und Vogelliebhaber mit Herz am rechten Fleck zeichnet. Und da ist der Italiener Claudio, der einst als einziger „Ausländer“ in der Schulklasse für Irritationen sorgte: „schwarzhaarig, aber schon Christ!“ Kein Wunder, dass Maier die hessische Hörfunk- und Familienserie „Die Hesselbachs“ als eine seiner Lieblingssendungen nannte, jene Serie aus den ersten Jahrzehnten des TV-Nachkriegsdeutschlands, bei der jedes Gespräch „früher oder später ins Chaos führte“.

Andreas Maier wurde 1967 in Bad Nauheim geboren und studierte in Frankfurt am Main, wo er 2002 über die Prosa von Thomas Bernhard promovierte. Seine Sprache erinnert an dieses große Vorbild und wechselt zwischen Komik, Trauer und Ingrimm. Inhaltlich beschäftigt sich der Autor gerne mit dem unheilvollen Fortschritt in der Provinz. Bekannt wurde Maier vor allem durch sein Romandebut „Wäldchestag“, das ihm den Ruf einbrachte, ein Heimatdichter zu sein. 2010 erschien der deutlich autobiographisch gestimmte Roman „Das Zimmer“, im folgenden Jahr fortgesetzt von dem Roman „Das Haus“. Nach eigenen Angaben arbeitet Maier zurzeit an einem mehrteiligen Zyklus unter dem Titel „Ortsumgehung“. Der Autor erhielt zahlreiche Auszeichnungen, darunter ein Stipendium der Villa Massimo in Rom und die Berufung zu den Frankfurter Poetikvorlesungen, die 2006 als Buch erschienen. Zuletzt wurde er 2010 mit dem Braunschweiger Wilhelm Raabe-Literaturpreis bedacht.

Kuratoren des Aschermittwoch der Künstler sind Prof. Dr. Michael Brandt, Direktor des Dom-Museums und Prof. Gerd Winner von der Akademie der Künste in München.