Klima, Schöpfung – Hoffnung
Im Interview spricht Patrick Kolzuniak, Referent für Umweltfragen und gesellschaftliche Vernetzung im Bistum Hildesheim, über die bevorstehende Klimaschutzkonferenz COP 30 in Brasilien, die Rolle der Kirchen im Einsatz für Klimagerechtigkeit und eine ökumenische Veranstaltung am 6. November in Hannover, die diesen Themen einen lokalen Rahmen gibt.
Herr Kolzuniak, vom 10. bis 21. November findet in Belém, Brasilien, die „COP 30“ statt – mitten im Amazonasgebiet. Was genau ist die COP und warum ist dieser Ort so bedeutsam für die internationale Klimapolitik?
Die COPs – die Abkürzung steht für „Conference of the Parties“, übersetzt „Vertragsstaatenkonferenz“ – sind bekannt als Weltklimakonferenzen. Sie sind das wohl prominenteste Element der internationalen Klimapolitik und ein Dialog- und Entscheidungsforum der Vereinten Nationen. Sie finden nun schon seit rund 30 Jahren statt.
Bei dieser 30. Weltklimakonferenz – zehn Jahre nach dem Pariser Klimaabkommen – ist nun mit Brasilien ein Land Gastgeber, das über eine hohe Symbolkraft verfügt. In Rio de Janeiro wurde Anfang der 1990er Jahre die Agenda 21 beschlossen, die unser Verständnis von Nachhaltigkeit grundlegend verändert hat.
Der Amazonas und der brasilianische Regenwald haben einen unvorstellbaren Artenreichtum. Sie sind aber bedroht, aufgrund der Förderung von Rohstoffen, der Monokultur in der Landwirtschaft oder Staudammprojekten. Belém steht daher auch für all das, worum es heute geht: Die bedrohten grünen Lungen der Erde, die enorme Verantwortung für wirksamen Klimaschutz, das wachsende Gefälle zwischen Arm und Reich und die Sorge gerade auch der Bevölkerung Mittel- und Südamerikas, Opfer einer neuen Form von Kolonialismus zu sein.
Was macht die COP 30 Ihrer Meinung nach zu einer besonders wichtigen Klimaschutzkonferenz, gerade im Vergleich zu den vorherigen Gipfeln?
Für mich sind das zwei Punkte: Erstens stehen wir zehn Jahre nach dem Pariser Klimaabkommen – also dem Vertrag der Staatengemeinschaft darüber, den Anstieg der mittleren globalen Erdtemperatur um maximal 2, besser 1,5 Grad Celsius bis 2050 zu begrenzen – an einer entscheidenden Schwelle. Wir werden weitere enorme Anstrengungen brauchen und das unverzüglich. Es kommt jetzt darauf an, die weitere menschengemachte Erderwärmung so schnell wie möglich zu begrenzen und zugleich die schon heute spürbaren brutalen Folgen abzumildern.
Zweitens geht es aber auch darum, dass die internationale Klimapolitik auf die Komplexität von Umweltfragen reagiert: Neben der Erdüberhitzung geht es auch um den Verlust an Biologischer Vielfalt, um den Schutz von Ökosystemen (von der Tiefsee bis zum landwirtschaftlichen Boden) und um die sozialen Folgen durch die zunehmende Zerstörung.
Wo stehen Deutschland, Europa und die Welt aktuell in Sachen Klimaschutz, Umweltschutz und Schöpfungsgerechtigkeit – und wie bewerten Sie die Rolle der Kirchen in diesem Kontext?
Vieles geht mir zu langsam, was den komplexen Verhandlungssystemen und widersprüchlichen Interessenlagen geschuldet ist. Gut ist, dass wir mit den Berichten des Weltklimarates (IPCC) und dem Pariser Klimaschutz-Abkommen eine wissenschaftliche und völkerrechtliche Grundlage haben. Diese werden von der EU mit dem European Green Deal oder dem Ausbau erneuerbarer Energien genutzt.
Wenn wir in Deutschland nun das Sondervermögen für Infrastruktur und Klimaneutralität auch für die Modernisierung des Schienennetzes nutzen und schneller beim Ausstieg aus den fossilen Energien werden, sehe ich uns auf einem guten Weg. Wir dürfen dabei jedoch nicht hinter die Fortschritte der vergangenen Jahre zurückfallen
Es kommt aber auch darauf an, was wir in den Kommunen tun, was jede Person in ihrem politischen Wirkungsbereich verändern kann und wie sich die Zivilgesellschaft aufstellt. Und dafür braucht es die Kirchen. Uwe Schneidewind vom Wuppertal-Institut sieht Kirche beispielsweise als Mahner, Macher, Motor und Moderator gefragt.
Für das Bistum Hildesheim erlebe ich das in meiner Arbeit so, dass wir mit Hilfe der Enzyklika Laudato si´ als gutes Vorbild nicht nachlassen, selbst klimaneutral und ökologisch nachhaltig zu werden. Wir unterstützen und bestärken Menschen, sich zu engagieren und bieten dort, wo Interessen aufeinander prallen, Gesprächsräume.
Am 6. November laden Sie gemeinsam mit evangelischen Partnern zum ökumenischen Forum „Klima, Schöpfung – Hoffnung“ in die Katholische Akademie Hannover. Wie kam es zu dieser Zusammenarbeit und was ist das Ziel der Veranstaltung?
Das entwickelte sich über eine engagierte Person, die sich in Hannover für eine menschen- und umweltegerechte Verkehrswende einsetzt, und mich mit Tobias Schäfer-Sell vom evangelisch-lutherischen Missionswerk in Niedersachsen zusammenbrachte. Wir kamen schnell auf die gemeinsame Idee, dass eine interdisziplinäre Kommentierung der COP 30 uns in Niedersachsen bei einer Standortbestimmung helfen kann. Auch, weil ja sowohl die Hannoversche Landeskirche als unser Bistum selbst ehrgeizige Klimaziele verfolgen.
Mit Prof. Dr. Claudia Kemfert und Dr. Barbara Hendricks sind zwei prominente Gästinnen angekündigt. Was erwarten Sie von ihren Impulsen und wie können solche Stimmen die kirchliche Debatte bereichern?
Barbara Hendricks handelte 2015 als Bundesumweltministerin das Pariser Klimaabkommen mit aus, gehörte unter Leitung von Bischof Heiner Wilmer der Kommission Justitia et Pax an und engagiert sich unter anderem im Laudato-Si´-Netzwerk. Sie kennt also die Mühen der Politik ebenso wie die spirituelle Tiefe der Schöpfungsgerechtigkeit. Und Claudia Kemfert schätze ich als eine Ökonomin, die ebenso klar wie authentisch auf Basis empirischer Forschung Politikberatung betreibt. Ihr Buch „Die andere Klimazukunft“ halte ich beispielsweise für eine ideale Lektüre für jeden Menschen, der sich für kommunalen Klimaschutz und Klimafolgenanpassung interessiert.
Sie sind Teil des Umweltteams im Bistum Hildesheim. Was tut das Bistum konkret für Klimaschutz und Schöpfungsgerechtigkeit – und wie sieht Ihre Rolle als Referent für Umweltfragen und gesellschaftliche Vernetzung aus?
Ich sehe Parallelen zu vielen Kommunen: Wir haben einen klaren Plan, wir sind im Machen und wir müssen nun Tempo und Qualität liefern, um 2035 schöpfungsgerecht zu werden:
Das Energiemanagement in vielen Pfarrgemeinden befindet sich – vor allem im Rahmen des Prozesses Zukunftsräume – auf dem Weg zu mehr Effizienz und Klimaneutralität: Weg von der Ölheizung und hin beispielsweise zur Wärmepumpe, mit besser isolierten Immobilien und Strom aus einem nachhaltigen Energiepool. Aber auch Ressourcenschonung und Resilienz der Menschen in unserem Bistum kommen nicht zu kurz. So bieten wir Veranstaltungen zu Schöpfungsspiritualität oder einfachem Leben an, was uns in Zeiten multipler Krisen Kraft und Erholung bieten kann.
Mein Aufgabengebiet ist vor allem der Kontakt zu internen und externen Stakeholdern. Das reicht von Pfarrgemeinden, dem Diözesanrat und Verbänden bis zu kommunalen Klimaschutzagenturen und ökumenischen Netzwerken, dem Landvolk und den Fridays for Future Ortsgruppen. Daraus entstehen dann gemeinsame Projekte, Initiativen, Gesprächsformate oder auch Beratungsgremien.
Was wünschen Sie sich persönlich für die COP 30, für die Veranstaltung am 6. November und für die Rolle der Kirchen in der ökologischen Transformation?
Für die 30. Klimaschutzkonferenz wünsche ich mir ein starkes Signal für den Schutz der Regenwälder und mehr Unterstützung für die Menschen im Globalen Süden, die schon jetzt unter den Folgen des Klimawandels leiden. Für den 6. November würde ich mich freuen, auch zahlreiche Kolleg:innen aus dem Bistum Hildesheim dort zu treffen, um gemeinsam zu denken, zu diskutieren und zu handeln. Es braucht einfach viele Mitstreiter:innen, die ihre Fähigkeiten und ihre Ideen einbringen, damit wir gemeinsam Hoffnung leben können – für uns, für kommende Generationen und für die wunderbare Schöpfung Gottes.
Vielen Dank für das Gespräch.

