Bischof Wilmer: Wir haben in Deutschland ein Problem mit Antisemitismus
Stellungnahme des Hildesheimer Bischofs zum erstarkenden Antisemitismus in Deutschland
Der Hildesheimer Bischof Dr. Heiner Wilmer SCJ ruft dazu auf, dem erstarkenden Antisemitismus in Deutschland entschieden entgegenzutreten. Jeder Politik der Ausgrenzung sei eine deutliche Absage zu erteilen.
Er nehme, so Wilmer, den Anstieg an Hass und Gewalt gegenüber Jüdinnen und Juden hierzulande mit großer Bestürzung war. Hier die Stellungnahme des Bischofs im Wortlaut:
„Wenn Jüdinnen und Juden sich nicht trauen, überhaupt zu sagen, dass sie jüdisch sind – dann haben wir in Deutschland ein Problem mit Antisemitismus. Wenn Jüdinnen und Juden keine Kette mit Davidstern oder eine Kippa tragen können, ohne belästigt zu werden – dann haben wir in Deutschland ein Problem mit Antisemitismus. Wenn Menschen fürchten müssen, bedroht zu werden, weil sie im öffentlichen Raum Hebräisch sprechen – dann haben wir in Deutschland ein Problem mit Antisemitismus.
Wir haben in Deutschland ein Problem mit Antisemitismus!
Jüdische Einrichtungen und Gemeinden werden bedroht, Jüdinnen und Juden werden angegriffen. Oftmals sind Universitäten keine sicheren Orte mehr für jüdische Studierende. Israelische und jüdische Künstlerinnen und Künstler werden von Veranstaltungen ausgeladen, und israelische Produkte werden boykottiert. Viele Jüdinnen und Juden ziehen sich zurück, weil sie Angst haben. Sie versuchen, möglichst nicht aufzufallen und gleichsam unerkannt in unserer Gesellschaft zu leben.
Diese Entwicklung müssen wir stoppen!
Wir müssen dem erstarkenden Antisemitismus entschieden entgegentreten und auch jeder Politik der Ausgrenzung eine deutliche Absage erteilen. Menschenwürde, Nächstenliebe und Zusammenhalt kennen keine Ausnahme; sie gelten allen Menschen und machen unsere Gesellschaft menschlich. Das ist meine christliche wie demokratische Grundüberzeugung. Daher nehme ich den Anstieg an Hass und Gewalt gegenüber Jüdinnen und Juden auch mit so großer Bestürzung wahr.
Als Kirche dürfen wir dazu nicht schweigen!
Wir wissen, dass der christliche Antijudaismus dem modernen Antisemitismus einen fruchtbaren Boden bereitet hat. Daher möchte ich klar sagen: Antisemitismus ist Sünde. Antisemitismus ist ein Angriff auf die Würde des Menschen. Antisemitismus zerstört unsere Gesellschaft. Das ist schon einmal geschehen. Das kann wieder geschehen. Es geschieht gerade.
Wir haben Verantwortung für das, was jetzt passiert!
Angesichts der wachsenden Zahl an Übergriffen auf Jüdinnen und Juden sowie auf jüdische Einrichtungen ist unser gemeinsames Engagement für ein friedliches und konstruktives Zusammenleben von Menschen verschiedener Religionen und Kulturen wichtiger denn je. Auch wir, Christinnen und Christen im Bistum Hildesheim, werden nicht nachlassen in unserem Eintreten für den Schutz jüdischer Gemeinden und im Kampf gegen Antisemitismus.
Das Miteinander steht auf dem Spiel!
Immer häufiger erleben wir, dass Ressentiments, Aggression und Gewalt gegenüber Jüdinnen und Juden in Deutschland auch mit dem Verhalten der israelischen Regierung und dem Vorgehen des israelischen Militärs in Gaza begründet werden. Jüdinnen und Juden in Deutschland sind aber nicht für das Verhalten der israelischen Regierung verantwortlich. Genauso wenig sind Musliminnen und Muslime in Deutschland für den Terrorangriff der Hamas am 7. Oktober 2023 verantwortlich, der diesem Krieg in Gaza vorausgegangen ist.
Wir müssen unsere Stimme erheben!
Fast zwei Jahre nach dem Überfall der Terrororganisation Hamas auf die Menschen im Süden Israels sind noch immer Geiseln entführt. Die humanitäre Lage im Gazastreifen ist katastrophal. Wir können ein umgehendes Ende dieses Krieges, eine Verbesserung der humanitären Situation in Gaza und die Freilassung der Geiseln fordern und tun dies auch. Den Nahostkonflikt und den Krieg in Gaza können wir hier in Niedersachsen aber nicht lösen. Sehr wohl allerdings können wir unsere Stimme erheben, wenn wir sehen, dass Jüdinnen und Juden beleidigt, diskriminiert oder schikaniert werden. Wir müssen unsere Stimme erheben!“