Geschichte des Bistums Hildesheim

Statue des Heiligen Bernward

815 – 1100: Die Gründung des Bistums Hildesheim

Die Geschichte des Bistums Hildesheim beginnt im Jahr 815 mit der Gründung durch Kaiser Ludwig den Frommen. Seine erste Blüte erlebt das Bistum den Bischöfen Bernward (993-1022) und Godehard (1022-1038). Beide wurden im 12. Jahrhundert heiliggesprochen.

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Die Gründung des Bistums Hildesheim im Jahr 815 durch Kaiser Ludwig den Frommen, Sohn Kaiser Karls des Großen, erfolgte vor dem Hintergrund der Ausdehnung des fränkischen Reiches und der damit zusammenhängenden Christianisierung weiter Teile des heutigen Niedersachsens. Auf einer Anhöhe in der „Hildesheimer Mulde“ an der Innerste errichtete Kaiser Ludwig eine kleine Marienkirche, welcher der erste Hildesheimer Bischof Gunthar (815-834) einen der hl. Cäcilia geweihten Dom anschloss.

Auch wenn dieser Dom sicherlich kein Provisorium war, wurde er doch bereits durch Bischof Altfrid (851- 874) – den vierten Bischof in der heute 70 Bischöfe zählenden Hildesheimer Bischofsliste – durch einen Neubau ersetzt: deutlich größer und deutlich stärker auf „Nachhaltigkeit“ ausgerichtet, weil man inzwischen um das Gelingen der Bistumsgründung wusste. Dieser der Gottesmutter Maria geweihte Dom und die ihm benachbarten Gebäude wurden 1046 durch einen großen Brand vernichtet. Sein Wiederaufbau erfolgte durch Bischof Hezilo (1054-1079), der den neuen Dom 1061 feierlich weihte und für dessen Mittelschiff einen großen, das himmlische Jerusalem symbolisierenden Radleuchter stiftete. Im Laufe der Jahrhunderte immer wieder den Bedürfnissen resp. dem Geschmack der Zeit angepasst, blieb dieser Dom in seinen Grundfesten bis zur Zerstörung der Stadt Hildesheim im Zweiten Weltkrieg bestehen.

Die Amtszeit der Hildesheimer Bischöfe Bernward (993-1022) und Godehard (1022-1038) gilt allgemein als eine „Blütezeit“ des Bistums Hildesheim. In jungen Jahren in verschiedenen Funktionen am kaiserlichen Hof tätig gewesen, gelang Bischof Bernward eine politische und wirtschaftliche Verfestigung des Bistums Hildesheim, wie ihm auch eine grundlegende Qualifizierung des Diözesanklerus ein wichtiges Anliegen war. Nachhaltiges Zeugnis seines Wirkens als Hildesheimer Bischof sind u.a. die Bernwardtür mit „Bildgeschichten“ aus dem Alten und Neuen Testament sowie die Christussäule mit Szenen aus dem öffentlichen Wirken Jesu im Hildesheimer Dom und in der St. Michaelis-Kirche, die eine Klosteranlage ist. Dass der Hildesheimer Mariendom und die St. Michaelis- Kirche heute Teil des UNESCO-Welterbes sind, gründet ganz wesentlich im Tun von Bischof Bernward.

Nachfolger von Bischof Bernward wurde der vormalige Abt des Benediktinerklosters Niederaltaich Godehard, der sich in seinem Episkopat in besonderer Weise um die konsequente Ausrichtung der Kirche am Evangelium bemühte: durch den Bau zahlreicher Kirchen und eine Intensivierung der Seelsorge, u.a. durch regelmäßige Predigten der Pfarrer vor Ort. Beide Bischöfe, Bernward und Godehard, erfuhren im Bistum Hildesheim eine breite Verehrung und wurden im 12. Jahrhundert heiliggesprochen, Mitte des 20. Jahrhunderts dann auch Bischof Altfrid.

Bildliche Darstellung der Schlacht von Dinklar. Mittig der siegreiche Fürstbischof von Hildesheim, Gerhard von dem Berge (gest. 1398), in Rüstung zu Pferde, mit dem Marienreliquiar in der Linken, neben ihm ein Reisiger mit einer Muttergottesfahne, links der Welfenherzog Magnus II. von Braunschweig mit seinen Rittern, unten Wappen und Inschrift.

1100 – 1400: Die Schlacht von Dinklar

Im 13./14. Jahrhundert kam es immer wieder zu Auseinandersetzungen zwischen den Welfen und den Hildesheimer Bischöfen. 1367 kulminierten diese in der Schlacht bei Dinklar, an deren Ende die Niederlage der überlegenen Welfenarmee stand.

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Während des Hochmittelalters verfestigte sich die „Doppelrolle“ der Reichsbischöfe als geistliche Oberhirten und weltliche Herrscher, wobei die Grenzen ihres kirchlichen und weltlichen Verantwortungsbereichs nicht immer deckungsgleich waren.

Das Bistum Hildesheim wurde auf einem Reichstag zu Mainz im Jahr 1235 räumlich-politisch umschrieben und in Abgrenzung zum Herzogtum Braunschweig- Lüneburg als „selbständig und von jeglicher herzoglicher Gewalt eximiert“ anerkannt. Trotzdem oder vielleicht auch gerade deswegen kam es im 13./14. Jahrhundert immer wieder zu Auseinandersetzungen zwischen den Welfen und den Hildesheimer Bischöfen, die 1367 in der Schlacht bei Dinklar gleichsam kulminierten. Dem welfischen Heer in jeglicher Beziehung unterlegen, schien die Schlacht für die Hildesheimer bereits verloren, als – so die Legende – der Hildesheimer Bischof Gerhard vom Berge (1365-1398) den Seinen durch das Zeigen des Gründungsreliquiars des Bistums Hildesheim den besonderen Beistand der Gottesmutter Maria zusagte und die Hildesheimer nunmehr doch noch siegten.

Wie eng politische und kirchlichreligiöse Belange in dieser Zeit miteinander verbunden waren, zeigt die Verwendung des Gefangenen-Lösegelds durch Bischof Gerhard: Aus ihm finanzierte er die Errichtung eines Kartäuserklosters in der Stadt Hildesheim, stiftete als Ausdruck seines Dankes an die Gottesmutter der Domkirche einen großen Goldkelch und ließ auch noch die Kuppel des Hildesheimer Mariendoms vergolden …

Von erheblicher Bedeutung für die Entwicklung des Bistums Hildesheim war das Domkapitel, das sich im Laufe des Mittelalters aus einer verfassten geistlichen Korporation – um 1000 galt es im deutschen Sprachraum als eine Art „Musterdomkapitel“ – zu einem „positiven Gegenpol“ zur bischöflichen Amtsgewalt weiterentwickelte. Eine Anerkennung seiner besonderen Rechte erfolgte durch Bischof Adelog (1170/71-1190), der 1179 in seinem „Großen Privileg“ für sich und seine Nachfolger versprach, das Domkapitel bei allen wichtigen Geschäften zu konsultieren. Seit dem Ende des 12. Jahrhunderts kam – und kommt – dem Domkapitel als wichtigste Aufgabe das Recht der Wahl des neuen Bischofs zu.

In etwa parallel zur „Kompetenzabklärung“ zwischen Bischof und Domkapitel begann im 13. Jahrhundert auch eine Emanzipation der Stadt Hildesheim, die eine zunehmend eigenständige Politik zu verfolgen begann – was mitursächlich dafür war, dass die Hildesheimer Bischöfe den Domhof verließen und zumeist auf ihren Burgen Steuerwald und Marienburg nördlich bzw. südlich von Hildesheim lebten.

Wichtige Impulse für das volksfromme Leben gaben die Ordensgemeinschaften der Zisterzienser, Magdalenerinnen, Franziskaner und Dominikaner, die im Laufe des 12./13. Jahrhunderts auch ins Bistum Hildesheim kamen, wobei die Gründung eines Klosters stets prozesshaften Charakter besaß.

Zeitgenössische Darstellung des Bischofs Ernst von Bayern.

1400 – 1600: Das Bistum in der Reformationszeit

Die Reformation erreicht auch Hildesheim. Doch das Bistum Hildesheim kann seine Existenz retten, indem es sich an die Wittelsbacher bindet.  Erster Wittelsbacher auf dem Hildesheimer Bischofsstuhl war Ernst von Bayern (1573-1612).

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Um 1500 gab es im rund 3.000 Quadratkilometer großen Bistum Hildesheim – heute ist das Bistum ungefähr zehnmal so groß – 318 Pfarreien, von denen sich 63 im Eigenkirchenrecht des Bischofs befanden, 116 unter einem weltlichen Patronat standen und 139 geistlichen Korporationen zugehörig waren. Ebenso gab es im Bistum Hildesheim neun Kanonikerstifte, fünf Benediktiner- und zwei Zisterzienserabteien, fünf Augustinerchorherrenstifte, ein Kartäuserkloster, eine Dominikaner- und zwei Franziskanerniederlassungen, fünf Zisterzienserinnenklöster, 16 Kanonissenstifte und Benediktinerinnenklöster sowie zwei Niederlassungen der Magdalenerinnen.

Nachdem im Laufe des 13./14. Jahrhunderts die Hildesheimer Bischöfe aufgrund finanzieller Schwierigkeiten immer wieder Burgen und Ländereien verpfändet hatten, reduzierte Bischof Johann von Sachsen-Lauenburg (1504-1527) die Bistumsausgaben in erheblichem Umfang und forderte den Landadel zur Rückgabe der diesem ja nur leihweise überlassenen Güter auf: ohne Erfolg. Als der Hildesheimer Bischof seinen Anspruch daraufhin mit Gewalt durchsetzen wollte, schalteten sich die welfischen Nachbarn des Bistums Hildesheim ein, wodurch aus einer an sich lokalen Streitigkeit um Eigentumsfragen rasch ein politisch-militärischer Flächenbrand wurde.

Erst mit dem „Quedlinburger Rezess“ vom 13. Mai 1523 fand die mehrjährige „Hildesheimer Stiftsfehde“ ihr Ende. Der Hildesheimer Bischof musste das „Große Stift“ an die Welfen abtreten, ihm und dem Domkapitel verblieben als politischer Herrschaftsbereich lediglich das „Kleine Stift“, nämlich die Ämter Peine, Steuerwald und Marienburg sowie die Dompropstei mit rund 90 Dörfern.

Auch im Bistum und in der Stadt Hildesheim stießen trotz mannigfacher Reformbemühungen gerade im Laufe des 15. Jahrhunderts die reformatorischen Ideen Martin Luthers auf ein reges Interesse. 1542 wurde in der Hildesheimer St. Andreas-Kirche der erste evangelisch-lutherische Gottesdienst gefeiert und zwei Jahre später erhielt die Stadt durch Johannes Bugenhagen eine evangelisch-lutherische Kirchenordnung: Die Stadt Hildesheim schloss sich der „neuen Lehre“ an, wie vor ihr bereits Goslar, Braunschweig, Hannover und Göttingen. Lediglich das Domkapitel, die Benediktinerabteien St. Michael und St. Godehard, die Kollegiatstifte Hl. Kreuz, St. Andreas, St. Johannis, St. Mauritius, das Augustinerchorherrenstift St. Bartholomäus zur Sülte, die Klöster der Kartäuser und Magdalenerinnen sowie das Stift im Schüsselkorb blieben katholisch.

Dass das Bistum Hildesheim anders als die welfischen Nachbarländer und die Bistümer Minden, Verden und Halberstadt katholisch blieb, gründet ganz wesentlich in der durch Bischof Burchard von Oberg (1557-1573) initiierten „Anbindung“ des Bistums Hildesheim an die (katholischen) Wittelsbacher, die fortan mit einer kurzen Unterbrechung für fast 200 Jahre den Bischof von Hildesheim stellten, wie zeitweise auch in Köln, Paderborn und Münster. Erster Wittelsbacher auf dem Hildesheimer Bischofsstuhl war Ernst von Bayern (1573-1612), unter dessen Leitung die Umsetzung der Beschlüsse des Reformkonzils von Trient (1545-1563) und eine den politischen wie strukturellen Rahmenbedingungen entsprechende (katholische) Gegenreformation begann.

Hauptportal des Bischöflichen Gymnasiums Josephinum in Hildesheim.

1600 – 1800: Jesuiten in der Domschule

1595 übernahmen die Jesuiten die Domschule – und führten sie einer Blütezeit entgegen. Der 30-jährige Krieg indes brachte existentielle Gefahr für das Bistum. Der Westfälische Friede zementierte dann die konfessionellen Verhältnisse.

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Von erheblicher Bedeutung für die weitere Entwicklung des Bistums Hildesheim war die Übernahme der Domschule durch die Jesuiten im Jahr 1595. Ihnen oblag fortan die Erziehung der Jugend und die Ausbildung des Diözesanklerus, wie sie sich auch als Domprediger engagierten und von Hildesheim aus bis nach Skandinavien und Lettland missionarisch tätig wurden; 1612 zählte das Mariano-Josephinum bereits rund 300 Schüler.

Ausgangspunkt für eine Reform des katholischen Kirchenwesens und die Rekatholisierung des Bistums Hildesheim – selbst im „Kleinen Stift“ schloss sich ein nicht unerheblicher Teil der Bevölkerung der „neuen Lehre“ an – bildeten die Errichtung eines Bischöflichen Generalvikariats und Offizialats sowie die Visitation der Pfarreien und Stifte in den Jahren 1608/09. Diese ergab, dass die Dörfer des Amts Marienburg und der Dompropstei sowie die domkapitularischen Dörfer katholischer Konfession waren, wohingegen das Amt Peine lutherischer und das Amt Steuerwald gemischter Konfession waren – wie auch deutlich wurde, dass die Besetzung einer Pfarrstelle mit einem katholischen Pfarrer (natürlich) über kurz oder lang die gesamte Gemeinde wieder dieser Konfession zuführte.

Während des 30-jährigen Krieges (1618-1648) wurde auch das Bistum Hildesheim verwüstet und geriet durch die welfische Besetzung der Stadt Hildesheim im Jahr 1634 sogar kurzzeitig in existenzielle Gefahr – bevor dem Hildesheimer Bischof nur neun Jahre später durch den „Goslarer Rezess“ weite Teile des bis dahin durch die Welfen verwalteten „Großen Stifts“ restituiert wurden – gegen die Zusage, auf eine Rekatholisierung zu verzichten. Durch den Westfälischen Friedensschluss von 1648 wurden die konfessionellen Verhältnisse im „Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation“ dann endgültig manifestiert: auch für das Bistum Hildesheim, in dem nunmehr – bis zur Säkularisation – ein katholischer Bischof als Landesherr über ein Territorium mit einer evangelisch-lutherischen Bevölkerungsmehrheit herrschte.
Unter der Leitung von Fürstbischof Maximilian Heinrich von Bayern (1650-1688) wurde 1652 in Hildesheim eine Diözesansynode durchgeführt, die vor allem die Umsetzung der Beschlüsse des Reformkonzils von Trient (1545-1563) wie u.a. die Einrichtung eines Seminars zur Ausbildung des Klerus und die Pflicht zur Führung von Kirchenbüchern, die Residenzpflicht des Pfarrers und die Verwendung des Römischen Breviers und Missales vorschrieb. In seine Amtszeit fielen auch der Neubau der Kartause, die Übergabe des Klosters Lamspringe an Benediktiner aus England und der Bau einer neuen Klosterkirche sowie die Begründung von Ordensniederlassungen der Kapuziner in Hildesheim und Peine, der Dominikaner in Gronau und der Annuntiatinnen in Hildesheim.

Eine besondere Bedeutung für den „kirchlichen Alltag“ besaßen im 17./18. Jahrhundert die Weihbischöfe, waren die Fürstbischöfe selbst doch nur sehr selten im Bistum Hildesheim präsent.

Neue (kleine) Kirchengemeinden entstanden im 18. Jahrhundert nach den Konversionen von Herzog Johann Friedrich von Calenberg-Grubenhagen-Göttingen bzw. von Herzog Anton Ulrich von Braunschweig- Wolfenbüttel in Hannover, Celle, Wolfenbüttel, Braunschweig und Göttingen – wobei die Anfänge durchweg schwierig waren.

Die St. Marien-Kirche in Bremen.

1800 – 1900: Neue Grenzen für das Bistum

Nach der Besetzung durch preußische Truppen verliert das Bistum seine politische Eigenständigkeit und wird dem Königreich Hannover zugewiesen. Es gelingt zwar ein neuerlicher Aufstieg – doch dann beginnt der Kulturkampf.

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Mit der Besetzung des Hildesheimer Domhofs durch preußische Truppen und dem Reichsdeputationshauptschluss fand 1802/03 die politische Eigenständigkeit des Bistums Hildesheim ihr Ende: „Alle Güter der Domkapitel und ihrer Dignitarien werden den Domänen der Bischöfe einverleibt und gehen mit den Bistümern auf die Fürsten über, denen diese angewiesen sind.“

Im Zuge des Wiener Kongresses 1814/15 wurde das vormalige Fürstbistum Hildesheim dem neu gegründeten Königreich Hannover zugewiesen, das im Jahr 1824 mit dem Hl. Stuhl in Rom eine Zirkumskriptionsbulle abschloss, in welcher die grundsätzlichen Belange des Bistums Hildesheim und des – ebenfalls zum Königreich Hannover gehörenden – Bistums Osnabrück geregelt wurden; 1834 konnte der Hl. Stuhl noch eine ergänzende Vereinbarung mit dem Herzogtum Braunschweig abschließen, das nunmehr auch verbindlich dem Bistum Hildesheim zugwiesen wurde.

Kirchengemeinden gab es im neuen Bistum Hildesheim in Stadt und Stift Hildesheim (55 Pfarreien), im vom Erzbistum Mainz an Hildesheim gelangten Untereichsfeld (20 Pfarreien sowie 13 Filialkirchen), in Hannover, Göttingen und Celle sowie in Braunschweig, Wolfenbüttel und Helmstedt; die Zahl der Katholiken belief sich 1824/34 auf rund 60.000.

Am 1. Juli 1828 konstituierte sich das neue Hildesheimer Domkapitel und am 26. März 1829 wurde Godehard Josef Osthaus zum ersten Bischof des „neuen“ Bistums Hildesheim gewählt. Ihm und seinen Nachfolgern Franz Ferdinand Fritz (1836-1840) und Jakob Joseph Wandt (1841-1849) gelang eine „Grundstabilisierung“ des Bistums Hildesheim in der neuen Zeit, u.a. durch die Neugliederung des Bistums in Dekanate, die Errichtung eines eigenständigen Priesterseminars und die Einführung regelmäßiger Dekanatskonferenzen, wie sie auch in politischer bzw. kirchenpolitischer Hinsicht recht moderat agierten.

Einen immensen Aufschwung nahm das Bistum Hildesheim ab der Mitte des 19. Jahrhunderts unter der Leitung von Bischof Eduard Jakob Wedekin (1850- 1870).

Infolge des Anstiegs der Katholikenzahl um fast 30% auf knapp 85.000 und einer starken wirtschaftsbedingten Binnenmigration kam es jetzt zur Gründung zahlreicher neuer katholischer Kirchengemeinden in der Diaspora, u.a. in Hameln, Nienburg, Lüneburg, Hannoversch Münden, Verden, Harburg, Neustadt a. Rbge. und Holzminden – wobei die jeweilige Initiative stets von den Katholiken vor Ort ausging. Mit der Gründung einer neuen Gemeinde verbunden war stets auch die Einrichtung einer katholischen Volksschule: Ausdruck der grundsätzlichen „Zukunftsorientierung“ der Kirche von Hildesheim.

Erhebliche Bedeutung für die insgesamt positive Entwicklung des Bistums Hildesheim besaß auch die von Bischof Wedekin mit großem Nachdruck geförderte Neuansiedlung von Ordensgemeinschaften. So kamen Franziskaner und Augustiner in die diözesanen Wallfahrtszentren Ottbergen (Hildesheim) und Germershausen (Duderstadt), übernahmen die Duderstädter Ursulinen die Mädchenschulen in Hildesheim und Hannover und kamen Vinzentinerinnen aus Paderborn nach Hildesheim. Gerade ihre sozial-caritative Arbeit in Hildesheim, Hannover, Göttingen, Celle und etlichen anderen Orten trug erheblich zur Akzeptanz der katholischen Kirche in einer weithin evangelischlutherisch dominierten Umgebung bei.

Schon bald nach der Gründung des Deutschen Reiches kam es im sog. „Kulturkampf“ zu einer grundsätzlichen Auseinandersetzung zwischen Regierung und katholischer Kirche um die jeweiligen Rechte und Pflichten; maßgebliche Protagonisten im politischen Bereich waren dabei Reichskanzler Otto von Bismarck und der hannoversche Zentrumsabgeordnete Ludwig Windthorst. Durch verschiedene Reichs- und Landesgesetze wie das „Schulaufsichtsgesetz“, das „Gesetz über die Vorbildung und Anstellung von Geistlichen“ und das „Gesetz über die Vermögensverwaltung in den katholischen Kirchengemeinden“ eskalierte die Auseinandersetzung rasch zum offenen Kirchenkampf. Mit Ausnahme der in der Krankenpflege tätigen Vinzentinerinnen mussten alle Ordensgemeinschaften das Bistum verlassen, wurde das Priesterseminar geschlossen und „verwaisten“ nach und nach rund 1/3 aller Hildesheimer Pfarreien, da Bischof Daniel Wilhelm Sommerwerck (1871-1905) sie nach ihrem Vakanzwerden nicht wieder besetzen konnte.

Letztlich konnte die katholische Kirche ihre weitgehende Eigenständigkeit jedoch behaupten und nach den Milderungs- und Friedensgesetzen von 1884/ 87 gerade auch im Bistum Hildesheim einen neuerlichen starken Aufschwung nehmen, wobei den Vereinen und Verbänden eine besondere Bedeutung zukam: Jungfrauen- und Jungmännervereine, Frauenund Männervereine, Gesellenvereine, Arbeitervereine, Marienvereine, Vinzenzvereine, Borromäusvereine und Volksvereine bildeten das eigentliche „Herzzentrum“ der Kirche.

Zwischen 1880 und 1910 stieg die Zahl der Hildesheimer Diözesanen von knapp 92.000 auf rund 208.000 Katholiken an, was den Bau zahlreicher neuer Kirchen, Schulen und sozial-caritativer Einrichtungen in den traditionellen Kerngebieten des Bistums wie in der Diaspora erforderlich machte.

Mauerreste des durch einen Bombenangriff im Zweiten Weltkrieg zerstörten Doms.

1900 – 2015: Wiederaufbau nach dem Zweiten Weltkrieg

Zwei Weltkriege, Zerstörung, Flucht und Vertreibung prägen das Bistum im 20. Jahrhundert. Aber auch der Wiederaufbau etwa des durch Bomben fast vollständig zerstörten Doms.

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In Fortführung der kirchenpolitischen und seelsorglichen Linie seiner Amtsvorgänger Wedekin und Sommerwerck bemühte sich auch Bischof Adolf Bertram (1906-1914) – von 1914-1945 Bischof bzw. Erzbischof von Breslau, ab 1916 Kardinal und ab 1920 Vorsitzender der Fuldaer Bischofskonferenz – um den Aufbau eines möglichst engmaschigen Netzwerkes von Kirchengemeinden und kirchlichen Einrichtungen. Der „Schutz des Glaubens und die Pflege des Glaubenslebens“ bildeten den Mittelpunkt seiner Arbeit, weswegen er in seinen Predigten und Hirtenbriefen immer wieder an den Vorbildcharakter der Eltern für ihre Kinder appellierte.

Nachdem sich bereits zu Beginn des 20. Jahrhunderts in Hannover und Hildesheim lokale Caritasverbände zusammengefunden hatten, wurde 1917 – während des Ersten Weltkriegs – durch Bischof Joseph Ernst (1915-1928) der Hildesheimer Diözesancaritasverband gegründet, dem bereits in den 1920er Jahren erhebliche Aufgaben zukamen.

1924 fand in Hannover der Deutsche Katholikentag statt, auf dessen Arbeitssitzungen insbesondere das „Christsein im Alltag“ thematisiert wurde und dessen Höhepunkt ein Gottesdienst mit Nuntius Eugenio Pacelli – dem späteren Papst Pius XII. – und rund 60.000 Teilnehmern bildete. Im Anschluss an den Katholikentag führte Pfarrer Wilhelm Maxen (1867-1946) in seiner Pfarrgemeinde St. Marien eine Haus- und Kapellenmission durch: Kirche müsse sich aktiv auf den Weg zu den Menschen machen, so seine Überzeugung.
Durch das Preußenkonkordat von 1929 kam es zu einer Neuregelung der Beziehungen zwischen Kirche und Staat, wobei die realen Auswirkungen für das Bistum Hildesheim eher gering blieben.

In der Zeit der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft erfuhr auch das Bistum Hildesheim erhebliche Beeinträchtigungen: Katholische Vereine wurden verboten, katholische Schulen und Ordensniederlassungen aufgehoben. Der kirchliche Alltag selbst wurde in vielfältiger Weise behindert: Jeder Gottesdienstbesuch, jeder Ministrantendienst am Altar, jede Teilnahme an einer kirchlichen Gruppenstunde, jedes Engagement im Kirchenvorstand widersprach dem totalitären Anspruch des Regimes.

Bischof Joseph Godehard Machens (1934-1956) legte, wie schon sein nach Berlin gewechselter Vorgänger Bischof Nikolaus Bares (1929-1933), immer wieder vehement Protest gegen die im Laufe der Jahre immer massiver werdenden Übergriffe ein, u.a. durch Predigten im Hildesheimer Dom und Hirtenbriefe an die Diözesanen im gesamten Bistum, insbesondere verwehrte er sich auch nachdrücklich – wenn auch vergeblich – gegen jede einzelne Schließung einer katholischen Schule. 

Besondere Probleme erwuchsen dem Bistum Hildesheim zwischen 1933 und 1945 im sog. Aufbaugebiet um Salzgitter und Wolfenbüttel, wo das nationalsozialistische Regime eine „Musterstadt ohne Gott“ errichten wollte – dennoch in verschiedenen kleinen Kapellen katholischer Gottesdienst gefeiert werden konnte.

Zahllose Frauen und Männer erfuhren die Willkür und Brutalität des Staates, der Partei und ihrer Hilfsgruppierungen, u.a. Pfarrer Christoph Hackethal (1899- 1942) und Pfarrer Joseph Müller (1894-1944), die beide ihre Treue zum Evangelium und zur Kirche mit ihrem Leben bezahlen mussten.

Der Zweite Weltkrieg endete in einer Katastrophe: Millionen Menschen kamen ums Leben, Millionen Menschen mussten ihre Heimat verlassen oder verloren ihren gesamten Besitz, zahlreiche Städte – auch die Bischofsstadt Hildesheim – versanken in Schutt und Asche.
Durch die Katastrophe des Zweiten Weltkrieges (1939- 1945) wuchs die Zahl der Hildesheimer Diözesanen von rund 265.000 auf fast 700.000 im Jahr 1950 an, deren seelsorgliche Betreuung das Bistum vor enorme Probleme stellte: Zahlreiche neue Kirchengemeinden entstanden und zahlreiche neue Kirchen wurden gebaut – wobei bis zu deren Fertigstellung etliche evangelisch- lutherische Kirchen für den katholischen Gottesdienst mitgenutzt werden konnten.

Den 1950 begonnenen Wiederaufbau des im Krieg nahezu vollständig zerstörten Hildesheimer Mariendoms schloss Bischof Heinrich Maria Janssen (1957- 1982) mit dessen Weihe am 27. März 1960 ab. Über 300 Kirchen zwischen Cuxhaven und Hannoversch Münden bzw. zwischen Hameln und Helmstedt konnten in der Amtszeit von Bischof Janssen neu errichtet oder grundrenoviert werden. Dass das Miteinander von Staat und katholischer Kirche nach teilweise heftigen Auseinandersetzungen in den 1950er Jahren um die Wiedereinrichtung der Bekenntnisschule durch das Niedersachsenkonkordat im Jahr 1965 einvernehmlich geregelt werden konnte: auch hieran besaß Bischof Janssen erheblichen Anteil.

1962 fand in Hannover ein Deutscher Katholikentag statt: eine Großveranstaltung, von der ein deutliches Signal für eine ökumenische Zusammenarbeit der beiden großen Kirchen in Deutschland ausgegangen ist.

Um eine Umsetzung der Beschlüsse des Zweiten Vatikanischen Konzils (1962-1965), zu dessen Teilnehmern auch Bischof Janssen und Weihbischof Heinrich Pachowiak (1958-1992) gehörten, ging es der Hildesheimer Diözesansynode von 1968/69; bei ihr waren erstmalig auch Laien stimmberechtigt.

Bischof Josef Homeyer (1983-2004) waren die politisch- staatliche und kirchliche Versöhnung Europas ein Herzensanliegen, weswegen er u.a. ein internationales Jugendprojekt – den „Friedensgrund“ – ins Leben rief, wie er auch eine Partnerschaft des Bistums Hildesheim mit der Kirche von Bolivien begründete; „in mundum universum“, so lautete sein Wahlspruch. Um eine Zukunftsperspektive für das Bistum Hildesheim unter aus vielerlei Gründen immer schwieriger werdenden Rahmenbedingungen ging es der Diözesansynode 1989/90: „Auf neue Art Kirche sein“.

In ausgesprochen konstruktiver und kreativer Weise ist das Bistum unter der Leitung von Bischof Norbert Trelle (2006-2017) derzeit darum bemüht, sich „neu aufzustellen“: nicht um des Neuen an sich willen, sondern weil sich die Anforderungen an die Kirche von Hildesheim wie auch ihre Möglichkeiten verändert haben und weiter verändern.

Die Texte wurden mit freundlicher Genehmigung der Begleitbroschüre zur Wanderausstellung des Bistumsarchivs Hildesheim "Rückblicke. Einblicke. Querblicke. 1.200 Jahre Bistum Hildesheim", entnommen; Herausgeber Archivdirektor Dr. Thomas Scharf-Wrede, erschienen im Jahr 2015.

Ein anderer Blick in 1200 Jahre Bistum Hildesheim

Geschichte, Herausforderungen, Visionen. Das heißt: Einordnen, was gewesen ist. Gestalten, was aktuell ist. Ahnen, was die Zukunft bringt. Zwischen Göttingen und Nordsee ist unsere katholische Kirche lebendig. Davon erzählt www.bistumsgeschichten.de. Hier finden finden Sie kein umfassendes Archiv oder Lexikon, sondern Geschichten über Menschen, Ereignisse und Schauplätze.

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