Bischofswort

von Dr. Heiner Wilmer SCJ, Bischof von Hildesheim

Was glaubst Du? Oder: Wem schenkst Du Dein Herz?

„Denn wo dein Schatz ist, da ist auch dein Herz.“ (Mt 6,21)

Liebe Schwestern und Brüder,

es sind die kleinen Fragen, deren Beantwortung uns manchmal schwerfällt. Wie oft haben wir schon die Frage „Wie geht es Dir?“ spontan mit „Danke, gut.“ beantwortet und erst dann bemerkt, dass uns eigentlich ganz anders zu Mute war. Wie oft hat uns schon die Frage „Was denkst Du?“ vor Rätsel gestellt, mussten wir darüber doch erst einmal nachdenken.

Ähnlich verhält es sich mit der Frage „Was glaubst Du?“. In unserer Alltagssprache nutzen wir das Verb „glauben“ oft als Ausdruck für „meinen“ oder „vermuten“. Es steht häufig für eine Annahme, für etwas, bei dem wir nicht sicher sind. Was aber meint Glauben in religiöser Hinsicht? Was antworten wir Christinnen und Christen, jede und jeder Einzelne von uns, auf die Frage „Was glaubst Du?“.

Wie zu allen Zeiten reicht es nicht, einfach gebetsmühlenartig Worte und Rituale zu wiederholen. Es geht um viel mehr – es geht um das, was uns im Innersten berührt, um das, was uns hält.

Glauben bedeutet vertrauen

Im Hebräischen, der Sprache des Alten Testamentes, wird für „glauben“ meist die Vokabel „aman“ verwendet. Hier klingt unser Wort „Amen“ durch. „Aman“ bedeutet so viel wie „fest, zuverlässig sein“, kann aber auch mit „Vertrauen haben“, „sich halten an“ oder „glauben“ übersetzt werden. Ähnlich ist es mit dem griechischen Begriff „pisteuein“, der häufig im Neuen Testament verwendet wird und ebenfalls die beiden Übersetzungen „glauben“ und „vertrauen“ zulässt.

Oft denken wir, wenn von Glaube die Rede ist, an das Fürwahrhalten bestimmter Inhalte, an Dogmen und Lehrmeinungen. Glaube aber meint Vertrauen. Glaube bedeutet, sich auf Gott, auf Jesus Christus einzulassen, ihm zu vertrauen und sich ihm anzuvertrauen.

Glauben bedeutet lieben

Besonders deutlich kommt dieser Sinngehalt im Lateinischen zum Ausdruck. Das lateinische Wort für „glauben“, das Verbum „credere“, stammt von „cor dare“ und bedeutet wörtlich „das Herz schenken“.

Wer glaubt, hängt sein Herz an Gott. Sicherer als bei Gott kann mein Herz nicht hängen.

Glaube hat also wesentlich mit Vertrauen und Liebe zu tun. Der englische Theologe und spätere Kardinal John Henry Newman schrieb einmal: „Wir glauben, weil wir lieben.“

Glauben bedeutet hoffen

Mutmaßungen geben keinen Halt. Sie bieten uns keine Perspektive, wenn es eng wird, wenn es dunkel und wenn es kalt wird.

Als Christinnen und Christen aber dürfen wir unser Herz an Gott hängen. Er ist unser Schatz. So heißt es im Matthäusevangelium: „Denn wo dein Schatz ist, da ist auch dein Herz.“ (Mt 6,21)

Christliche Hoffnung ist weit mehr als Optimismus. Sie macht sich fest bei Gott. Worauf hoffen wir? Dass Gott uns hält. Dass niemand allein ist. Wer glaubt, ist nie allein. Hoffnung eröffnet Leben – sogar über den Tod hinaus.

Glauben bedeutet zweifeln

Trotzdem kennen wir Menschen dunkle Momente und Zeiten der Hoffnungslosigkeit. Bisweilen nagt der Zweifel an uns – und an unserem Glauben.

In der Bibel gibt es viele Geschichten über Zweifel und darüber, wie Menschen mit Zweifeln umgehen. Wir hören von abgrundtiefer Erschütterung und wir hören von unbedingtem Glauben-Wollen. Mitunter erscheinen Glaube und Zweifel als zwei Seiten der einen Medaille.

Glaube ohne Zweifel empfinde ich als einengend. Glaube ohne Zweifel engt die glaubende Person ein. Glaube ohne Zweifel engt Gott ein. Zudem verengt sich die Art und Weise, wie auf den Glauben anderer geschaut wird. Glaube ohne Zweifel weist den Weg in Fundamentalismus und Fanatismus. Es ist ein Glaube, der aufgehört hat, Fragen zu stellen.

Glauben bedeutet suchen

Tatsächlich ist es aber gerade der Zweifel, das Suchen, das uns Menschen davor bewahrt, uns in uns selbst zu verkrümmen. Der Glaubende ist ein Mensch, der ebenso offen wie ernsthaft in dieser Welt nach Gott sucht.

Staunend können wir wahrnehmen, wie unterschiedlich die Wege sind, die Gott mit uns Menschen geht.

Im Gespräch mit anderen Menschen können wir unseren eigenen Glauben neu entdecken, vielleicht in ungewohnten Worten, vielleicht mit uns fremden Gesten und Ausdrucksformen, womöglich mit der Kraft der Tradition oder auch in neuen Weisen, den Glauben zu feiern.

Das birgt natürlich auch Herausforderungen. Einander zuzuhören und Unterschiede auszuhalten, ist nicht immer einfach. Mir hilft in solchen Situationen, auf das Verbindende zu schauen: auf Jesus Christus.

Glauben bedeutet sich begegnen

Glaube meint Beziehung und Glaube meint Begegnung – mit Gott, mit anderen Menschen und auch mit mir selbst.

Glauben bedeutet, Teil einer Gemeinschaft zu sein, beieinander zu sein. Dafür ist es wichtig, uns gegenseitig von unserem Glauben zu erzählen. Dazu möchte ich Sie ermuntern, wo immer Sie sind, mit den Menschen, mit denen Sie leben, arbeiten und Freundschaften pflegen.

Auch ich möchte mich mit Ihnen über die verschiedenen Facetten des Glaubens austauschen. Dazu lade ich zu digitalen Treffen ein, jeweils von 19:00 bis 20:30 Uhr. Sie alle sind dazu herzlich willkommen.

Ein erster Austausch wird am 7. November 2024 zum Themenfeld Vertrauen und Lieben stattfinden mit dem Titel „Im Feuer des Vertrauens, im Schatten der Liebe. Radikale Wege durch die Abgründe des Glaubens und der Hingabe“.

Am 10. Dezember 2024 wird es um das Hoffen und Zweifeln gehen. Der Abend steht unter dem Motto „Was muss ich bezweifeln, was darf ich erhoffen? Im Kampf um das Herz.“

Am 22. Januar 2025 widmen wir uns der Spannung von Suchen und Begegnen und stellen die Frage „Kann ich Gott zwingen, meine innere Leere auszufüllen? Von den Mystikern lernen, Gott zu suchen und begegnen zu wollen.“

Die Zugangsdaten zu den digitalen Treffen werden wir rechtzeitig auf der Homepage des Bistums (www.bistum-hildesheim.de) bekannt geben. Ich freue mich auf das Gespräch mit Ihnen.

Liebe Schwestern und Brüder, wer glaubt, hängt das Herz an Gott. Ich wünsche Ihnen diese große Möglichkeit.

Dr. Heiner Wilmer SCJ
Bischof von Hildesheim