Voneinander lernen

Besuchergruppe aus Bolivien tauscht sich mit Gruppe aus dem Bistum über nachhaltige Landwirtschaft aus

Vom 12. bis 29. September war eine Gruppe von zehn Studierenden und Landwirt:innen aus Bolivien im Bistum Hildesheim zu Gast. Der Besuch ist Teil eines gegenseitigen Austauschprogramms, das sich den Chancen und Herausforderungen nachhaltiger Landwirtschaft widmet – insbesondere den sogenannten Agroforst-Systemen.

Bereits im Frühjahr reiste eine Gruppe junger Frauen und Männer nach Bolivien, um sich dort im Rahmen der Bistumspartnerschaft mit Gleichaltrigen zu treffen. Ihnen allen gemeinsam ist, dass sie eine land- oder forstwirtschaftliche Ausbildung abgeschlossen haben oder sich in einer entsprechenden Ausbildung befinden. Die deutschen Gäste haben gemeinsam mit den bolivianischen Gastgebern an Seminareinheiten teilgenommen, in Agroforstsystemen mitgearbeitet, neue Pflanzungen angelegt und durch den Austausch voneinander gelernt. Dadurch haben sie ein Gefühl für die vielfältigen Herausforderungen bekommen, vor denen die Campesinos in Bolivien stehen.

Neben dem Aspekt der Begegnung stand bei beiden Reisen das Kennenlernen von Agroforstsystemen auf dem Programm. Der Besuch führte die Gruppe an zahlreiche Orte im Bistum und darüber hinaus, die als Lernobjekte geeignet sind. Einer davon ist das Kirchengut des Bistums Hildesheim in Werxhausen, welches vor vier Jahren von der Familie Ebert auf ökologischen Landbau umgestellt wurde.

„Agroforstsysteme sind eine Form der Landnutzung, bei der die landwirtschaftliche Produktion mit dem Anbau von Bäumen oder Sträuchern auf derselben Fläche kombiniert wird,“ erklärt Theresa Ebert. „Agroforstsysteme“, erklärt sie weiter, „werden künftig eine immer größere Rolle spielen.“ Durch Beschattung und Wasserverdunstung verbessere der gemischte Anbau von Bäumen und Nutzpflanzen das Mikroklima und reduziere die Folgen des Klimawandels.

Durch eine Kombination mit Freilandhaltung von Nutztieren kann so ein System ergänzt werden, was nicht nur den Tieren selbst, sondern auch dem ökologischen Gleichgewicht zugutekommt. Außerdem lasse sich durch Agroforstsysteme die Bodenqualität deutlich verbessern, ohne dass künstlicher Dünger eingebracht werden müsse. So hat sie in Bolivien einen Betrieb kennengelernt, auf dem unter anderem Kompostwürmer gezüchtet werden, die dazu beitragen, dass der Kompost sich in guten Humusboden umsetzt. „Das werde ich wohl einmal ausprobieren“, erzählt Theresa, die in Göttingen Agrarwirtschaft studiert.

In der bolivianischen Gruppe ist die Forstwirtin Patricia Manani mitgereist. Sie findet es interessant, dass es im deutschen Wald viel weniger „Leben“ gibt als in Bolivien: „Bei uns haben wir eine viel größere Pflanzenvielfalt und unsere Bäume wachsen viel höher.“ Patricia weist auf die Folgen des Klimawandels hin. „Hier bei euch ist er anscheinend noch nicht so deutlich spürbar wie bei uns“, sagt Patricia und berichtet von den großen Waldbränden im Amazonasregenwald, von Bodenerosion und Trockenheit in den höheren Landesteilen.

Die deutschen Teilnehmenden erklären den Gästen aus Bolivien, wie sie wirtschaften, was sie im Agrarbereich anbauen, wie sie im ökologischen Landbau Unkräuter bekämpfen und in der konventionellen Landwirtschaft versuchen, mit möglichst wenig Spritzmitteln auszukommen, aber auch welchen Wettbewerbszwängen sie unterworfen sind.

Immer wieder geht es in den Gesprächen und Diskussionen um Fragen der Schöpfungstheologie, um die Inhalte der Enzyklika „Laudato Si“ von Papst Franziskus. Es werden Gottesdienste gefeiert und ganz selbstverständlich wird vor dem Essen gebetet. Wie Patricia sagt: „Wir haben diese Welt und die Dinge, die wir ernten, von Gott geschenkt bekommen. Das müssen wir uns immer wieder bewusst machen und entsprechend schonend und nachhaltig mit seiner Schöpfung umgehen.“

Justus Nolte aus Gieboldehausen fährt mit der Gruppe im Planwagen zu den Feldern, die seine Familie in konventioneller Landwirtschaft bearbeitet. Am Beispiel von jungen Rapspflanzen weist er auf den Unterschied zwischen den Fraßspuren hin, die Raupen am Blattrand hinterlassen, und dem Loch, welches der Erdfloh mitten ins Blatt hineinfrisst.

Er erklärt, wie eine Biogasanlage funktioniert und wie heute mit Hilfe von Saatdrohnen gearbeitet wird. „Noch vor der Getreideernte wird die Zwischenfrucht aus der Luft gesät. Wenn das Getreide dann gedroschen wird, läuft die Zwischenfrucht bereits auf.“ Sie hat einen Wachstumsvorsprung vor dem Unkraut und lässt es nicht hochkommen. Eine vorbeugende Methode der Unkrautbekämpfung.

Nolte fand den Besuch der Agroforstsysteme in Bolivien interessant. „Aber ich habe keine konkreten Ideen mitgebracht, die ich hier direkt auf unserem Betrieb umsetzen könnte. Doch der Blick über den Tellerrand hinaus war gut, einmal zu sehen und zu erleben, wie Landwirte in Bolivien arbeiten, welche Herausforderungen sie meistern müssen.“

Allen Teilnehmenden aus Bolivien und aus Deutschland war eines bei ihren Reisen wichtig: die Begegnung untereinander, Freundschaften zu knüpfen und weiterhin in Kontakt zu bleiben.

Edmund Deppe