Auf alten Pfaden zur inneren Einkehr
Der Jakobusweg führt 400 Kilometer durch die Lüneburger Heide
Hildesheim/Lüneburg (bph) Die Heide mit ihren weiten Ebenen fordert den Wanderer heraus, mit ihrer spirituellen Atmosphäre aber auch den Beter. Beides verbindet der Jakobusweg miteinander. Auf rund 400 Kilometern führt er durch eine Kulturlandschaft, die arm ist an Menschen, aber reich an Sehenswürdigkeiten.
Die Hektik des Alltags verschwindet ein paar Meter abseits der Straße. Ein schmaler Pfad, links daneben ein Bachlauf, rechts Wiese, ganz viel Wiese, weit entfernt ein paar Häuser mit roten Dächern. Ein Brombeerstrauch zerrt am Hosensaum, aber er hindert die Füße nur kurz. Es geht voran. Die Kieselsteine unter den Sohlen knirschen, der Wind bringt Eichenblätter zum Rascheln. Ansonsten Stille, Einsamkeit und weites, flaches Land.
Dass die Landschaft um Eschede in der Südheide zu den am dünnsten besiedelten Regionen Deutschlands gehören soll, glaubt man gern, wenn man auf dem Jakobusweg Lüneburger Heide unterwegs ist. Auf dem Gang zur inneren Einkehr gibt es keine Störenfriede, aber viele Sehenswürdigkeiten. Rund 400 Kilometer lang ist das Wegenetz. Es beginnt nördlich von Hannover am Kloster Mariensee und schlängelt sich auf zwei Routen Richtung Soltau: durch das Aller-Leine-Teil und durch die Region Celle. Von Soltau führt die Strecke Richtung Osten über Lüneburg nach Bardowick. Wer stattdessen in Wilsede Richtung Norden abbiegt, kommt bis zur St.-Jacobi-Kirche in Hamburg.
Ein beliebter Anlaufpunkt für Pilger ist das um 1225 gegründete ehemalige Zisterzienserinnenkloster Wienhausen bei Celle. Ein Pilgersaal direkt unter dem Nonnenchor bot Ankömmlingen jahrhundertelang Unterkunft. Heute ist das nicht mehr möglich. Kein Grund, das Kloster links liegen zu lassen. Der doppelgeschossige Kreuzgang im Stil der Backsteingotik ist nämlich eine Seltenheit. Gleiches gilt für die gotischen Bildteppiche oder die Nietbrillen aus dem 14. Jahrhundert. Sie sollen zu den ältesten erhaltenen Brillen der Welt zählen und sind im Klostermuseum zu besichtigen.
Barbara und Eberhard Walther kennen die Kostbarkeiten des Klosters gut. Regelmäßig besuchen sie mit Pilger-Gemeinschaften Wienhausen, zeigen ihnen die blühende Heidelandschaft rund um Hermannsburg oder besichtigen mit ihnen die St.-Lamberti-Kirche in Bergen. Menschen für das Pilgern zu begeistern, das ist ihre Mission, seit sie anlässlich ihrer Silberhochzeit vor neun Jahren nach Santiago de Compostela marschiert sind. In Bayern ließen sich die Eheleute aus Verden zu zertifizierten Pilgerweg-Begleitern ausbilden. Wer noch nie gepilgert ist, kann sich an die beiden wenden und mit ihnen ein paar Tage den Jakobusweg durch die Lüneburger Heide erwandern, spirituelle Elemente wie Meditationen und Lesungen aus biblischen Texten inklusive.
Wenn nichts mehr geht, dann geh! – Für Barbara Walther ist Pilgern die Suche nach dem mitunter aus dem Blick geratenen Sinn des Lebens und eine Möglichkeit, Gott wiederzufinden. Wer den Weg gegangen ist, soll gestärkt in den Alltag zurückkehren. „Wir wollen die Leute auch motivieren, dass sie sich beim nächsten Mal selbst auf den Weg machen“, sagt Eberhard Walther.
Engagierte Privatleute wie der Unternehmer Frank Farthmann aus Soltau sowie Kommunen, Kirchen und der Naturpark Lüneburger Heide arbeiten mit Sponsorenhilfe am Vorhaben, das Wegenetz vollständig mit der gelben Jakobusmuschel zu markieren und auszuschildern. In den Kreisen Harburg und Soltau-Fallingbostel ist das bisher nicht überall der Fall. Auch eine detaillierte Karte aller Pfade fehlt noch, und es könnte mehr geeignete Unterkünfte für die Wandernden geben. Erst wenn all diese Ziele verwirklicht sind, soll der Jakobusweg groß beworben werden. Im kommenden Jahr ist das soweit, schätzt Nicola Scherer vom Naturpark Lüneburger Heide.
Ein gestiegenes Interesse am Pilgern in der Lüneburger Heide ist aber schon jetzt bemerkbar. Bärbel Horn vom Kloster Wienhausen berichtet, dass hin und wieder ganze Gruppen kämen, um eine Führung durch den seit der Reformation evangelischen Konvent zu machen. Carola Hiestermann vom Ludwig-Harms-Haus, einer Pilgerherberge in Hermannsburg, sagt: „Pilgern findet einen guten Anklang. Immer wieder kommen Leute, die sich von mir einen Stempel für ihren Pilgerpass abholen.“ Das Haus zählt nach Angaben von Carola Hiestermann zwischen Juni und September dieses Jahres etwa 50 bis 60 pilgernde Übernachtungsgäste. Das sei vor ein paar Jahren noch nicht der Fall gewesen.
Information und Service:
www.jakobusweg-regioncelle.de
hier informiert ein PDF-Flyer über den Streckenverlauf und seine Sehenswürdigkeiten. Dort werden auch die Streckenverläufe von Teilstücken in der Region Celle beschrieben, die in der Regel an einem Tag bewältigt werden können. Außerdem informiert der Flyer über Pilger-Herbergen, Stempelstellen sowie Kirchen und Klöster in der Region Celle;
Frank Farthmann, Pilgerbüro Lüneburger Heide
Am Sandberg 2, 29614 Soltau, geöffnet donnerstags von 17 bis 19 Uhr,
E-Mail: pilger(ät)jakobusweg-lueneburger-heide.de;
www.pilgern-norddeutschland.de
Homepage von Barbara und Eberhard Walther, die begleitete Pilger-Touren anbieten;
www.pilgern-hamburg.de
verweist auf das Pilgerzentrum der Nordelbischen Kirche mit der Hamburger Hauptkirche St. Jacobi. Zu den beschriebenen Sehenswürdigkeiten des Pilgerweges Lüneburger Heide zählen die Klöster Mariensee, Walsrode und Wienhausen, außerdem die Städte Lüneburg und Celle und das Heidedorf Wilsede.