Ein Blick ins Hirn

Studierende erforschen Augenbewegungen beim Betrachten der Bernwardtür

Hildesheim (bph) Soll man auf den Brudermord hinweisen oder ist es besser, wenn Besucher die drastische Szene selbst entdecken? Das tragische Geschehen zwischen Kain und Abel ist eine der Geschichten, die die berühmte Hildesheimer Bernwardtür aus dem Jahre 1015 erzählt. Studentinnen der Universität Hildesheim untersuchen jetzt unter der Leitung des Neurowissenschaftlers und Psychologen Prof. Dr. Kristian Folta-Schoofs die Augenbewegungen und Gehirnströme bei Betrachtern der Bernwardtür. Daraus könnten sich eines Tages Folgerungen für die Museumspädagogik ergeben. Am Dienstag, 12. Juni, stellten die Studentinnen mit Folta-Schoofs das Projekt vor der Bernwardtür im Roemer- und Pelizaeus-Museum vor.

Man kennt es aus eigener Erfahrung: Der Museumsführer überhäuft mit Daten und Fakten, obwohl man das Kunstwerk vielleicht erst einmal in Ruhe betrachten möchte. Welche Methode hinterlässt den tieferen Eindruck? Ist es besser, dem Betrachter zunächst das Kunstwerk zu erklären oder sollte man ihm erst einige Minuten des stillen Betrachtens gönnen? Aufschluss soll ein praktisches Forschungsseminar geben, das Studierende des Masterstudienganges „Pädagogische Psychologie“ an der Universität Hildesheim unter Anleitung ihres Dozenten Folta-Schoofs und gemeinsam mit dem Hildesheimer Roemer- und Pelizaeus-Museum entworfen haben. Dabei wollen sie erforschen „was im Gehirn von Menschen vor sich geht, wenn sie das bronzene Portal und seinen biblischen Figurenschmuck erstmalig betrachten“, erklärt Folta-Schoofs. Konkret: Wie wirken sich die Informationen, die zum Beispiel ein Museumsführer vor dem Betrachten der Bernwardtür gibt, auf die Blicke der Besucher aus? An welchen Stellen sind sie aufmerksam und wann verankert sich das Gehörte und Gesehene besonders fest im Gedächtnis?

Antwort erhoffen sich die jungen Forscher von einem „Eyetracker“ samt EEG-Ableitungen, die nicht nur die Augenbewegungen verfolgen und auf einem Computer aufzeichnen, sondern zugleich auch die Gehirnaktivität messen. Im Neurolabor der Universität haben sich die Studierenden zunächst in die Geräte eingearbeitet. In den kommenden drei Wochen wollen sie den Eyetracker samt dazugehörender Apparatur nun direkt vor der Bernwardtür im Roemer- und Pelizaeus-Museum, wo die Bernwardtür bis zum Ende der Domsanierung 2014 steht, einsetzen.

Vorerst werde man das Gerät an den Studentinnen selbst testen und die Ergebnisse dann auswerten, erläutert Neurowissenschaftler Folta-Schoofs. Nicht ausgeschlossen, dass sich danach aber eine richtige wissenschaftliche Studie anschließt, bei der verschiedene Gruppen von Betrachtern gegeneinander getestet werden könnten: Frauen gegen Männer, ältere Personen gegen Jüngere, solche mit Vorkenntnissen gegen andere. Vielleicht helfen die Ergebnisse irgendwann den Museumsführern, die Informationen zur Bernwardtür so geschickt zu dosieren, dass sich ein Besuch unvergesslich in das Gehirn des Betrachters einbrennen kann, hofft Folta-Schoofs.

Diese Untersuchung der Universität Hildesheim wird vom Direktor des Dom-Museums, Prof. Dr. Michael Brandt, und der Direktorin des Roemer- und Pelizaeus-Museums, Frau Prof. Dr. Regine Schulz, tatkräftig unterstützt. Auch Museumspädagogin Julia Kruse und der Museums-Geologe Dr. Jürgen Vespermann wollen dem Projekt zum Erfolg verhelfen.

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