"Ein Mahnmal für den verantwortungslosen Umgang mit radioaktiven Abfällen"

Bischof Dr. Heiner Wilmer besucht Atommülllager Asse II

Zusammen mit dem braunschweigischen Landesbischof Christoph Meyns hat Bischof Dr. Heiner Wilmer SCJ erstmals das Atommülllager Asse II bei Remlingen besucht.

Beide Bischöfe haben sich unter Tage einen Eindruck vom maroden Bergwerk verschafft und anschließend das Gespräch mit dem Betreiber, der Bundesgesellschaft für Endlagerung (BGE), und den Bürgerinitiativen des Asse-II-Koordinationskreises gesucht. Daran beteiligt waren auch die Landrätin des Landkreises Wolfenbüttel, Christiana Steinbrügge (SPD), und der parteilose Bürgermeister der Samtgemeinde Elm-Asse, Dirk Neumann.

Die Schachtanlage Asse II wurde um 1900 zur Gewinnung von zunächst Kali- und anschließend Steinsalz errichtet. Nachdem die Förderung aus wirtschaftlichen Gründen eingestellt wurde, hat 1965 die Gesellschaft für Strahlen- und Umweltforschung (GSF) im Auftrag der Bundesrepublik das Bergwerk gekauft, um dort die Endlagerung radioaktiver Abfälle zu erforschen. Von 1967 bis 1978 wurden rund 126.000 Fässer mit schwach- und mittelradioaktiven Abfällen in insgesamt 13 ehemaligen Abbaukammern abgekippt. Auch giftige chemische Abfälle, darunter Arsen, wurden eingebracht.

Seit 1988 ist bekannt, dass Wasser aus dem umliegend Deckgebirge in das Bergwerk eindringt. Die Herkunft ist nicht bekannt und kann auch nicht gestoppt werden. Das Wasser, rund 12 Kubikmeter täglich, wird aufgefangen und abtransportiert. Weil die Grube instabil wird, wurde nach wiederholten Protesten von Bürgerinitiativen 2010 beschlossen, das Bergwerk nicht mehr zu verfüllen, sondern den Atommüll zu bergen. Seitdem werden umfangreiche Arbeiten unternommen, um das Bergwerk zu sichern und die Rückholung vorzubereiten. Vor 2033 jedoch wird kein Abfall die Asse verlassen. Bis dahin darf das Wasser nicht an die radioaktiven Abfälle gelangen. Hochgerechnet lagern in der Asse 102 Tonnen Uran, 87 Tonnen Thorium und 28 Kilogramm besonders gefährliches Plutonium. 

Für Bischof Wilmer ist die Asse ein Mahnmal für den verantwortungslosen Umgang mit radioaktiven Abfällen: „Ein hoher technischer Aufwand ist notwendig, um zu verhindern, dass Grundwasser an die gelagerten Abfälle gelangt.“ Ein noch viel höherer technischer und finanzieller Aufwand sei notwendig, um die mittlerweile seit gut einem halben Jahrhundert dort angekippten Fässer samt Abraum aus kontaminiertem Salzgrus wieder heraufzuholen. 

„Die Frage nach einer sicheren Endlagerung radioaktiver Abfälle über einen sehr langen Zeitraum hinweg gehört zweifellos zu den komplexesten Herausforderungen in unserer Gesellschaft“, betont Wilmer im Nachgang des Gespräches: „Ich denke da an die Diskussion um den Standort eines Zwischenlagers.“

Nach Angaben der Bundesgesellschaft für Endlagerung muss für den Asse-Müll ein Zwischenlager errichtet werden. Zum einen, weil der Müll begutachtet, aufbereitet und neu verpackt werden muss. Zum anderen, weil es derzeit kein Endlager für radioaktive Abfälle in Deutschland gibt. Die BGE spricht sich für einen Asse-nahen Standort aus, um Transporte zu vermeiden. Bürgerinitiativen und Anwohner setzen sich für einen Vergleich auch mit Asse-fernen Standorten ein, um einen größeren Abstand zu Wohngebieten zu sichern. Zudem brauche der Asse-Müll nur umgepackt, aber nicht technisch aufwendig und möglicherweise gefährlich für Mensch und Natur aufbereitet werden.

Der Streit um den Standort des Zwischenlagers ist der Grund, warum vor kurzem der kritische Begleitprozess zum Atommülllager Asse im Landkreis Wolfenbüttel vorerst beendet wurde. Die „Asse-2-Begleitgruppe“ setzt sich aus Vertreter*innen von Kommunalparlamenten und Initiativen aus der Asse-Region zusammen. Landrätin Steinbrügge, die Vorsitzende der Gruppe war, begründet dies im Gespräch mit den Bischöfen mit einem „nicht überwindbaren Vertrauensverlust in die BGE“.

Für Meyns und für Wilmer ist das ein Alarmzeichen. „Wie gelingt es, die Sorgen der Menschen fest im Blick zu haben, welches ist die ethisch und ökologisch vertretbare Option?“, fragt Wilmer: „Und wie können wir heute verantwortungsbewusst handeln im Hinblick auf die Generationen, die nach uns kommen und denen wir den Abfall aus der Nutzung der Kernenergie hinterlassen?“ Ohne einen transparenten, respektvollen und breit angelegten öffentlichen Diskurs sei das nicht möglich.

Wiederholt fragen Meyns und Wilmer danach, was die Kirchen in dieser Situation tun könnten. Die Antwort sowohl von der BGE als auch aus Politik und Bürgerinitiativen: neutral und unvoreingenommen durch eine Initiative einen Raum zu bieten, in dem der abgerissene Gesprächsfaden wieder aufgenommen werden kann.