„Das ist Weihnachten: Gott sagt ‚Ja‘ zu Dir“

Weihnachtspredigt von Bischof Dr. Heiner Wilmer am 25. Dezember im Hildesheimer Dom

An Weihnachten werde die Geborgenheit in Gott gefeiert, betont Bischof Dr. Heiner Wilmer SCJ in seiner Weihnachtspredigt am 25. Dezember: „Es spielt überhaupt keine Rolle, ob du dich mit Gott schwertust und dich von ihm abwendest. Gott hält dich trotzdem“.

Bischof Wilmer geht in seiner Botschaft auf das zuvor gehörte Evangelium ein: „Gott erschafft durch das Wort.“ Mit Jesus komme das Wort Gottes in die Welt, um die Menschen zu retten. Und Gott lasse sie nicht allein – auch wenn das Leben sie besonders prüfe: „Er gibt auch den Gestrandeten, den Flüchtlingen, den Obdachlosen und den seelisch Unbehausten eine Heimat. Er sagt jedem von Ihnen: Gut, dass es Dich gibt.“

Die Zusage Gottes gilt jedem und das macht diesen Tag so besonders, sagt Wilmer: „In der Tat, das ist Weihnachten: Gottes Wort sagt ‚Ja‘ zu Dir“.

Der Gottesdienst am 1. Weihnachtstag im Hildesheimer Dom wurde auch live im ZDF ausgestrahlt. 

 

Die Predigt im Wortlaut:

Liebe Geschwister im Glauben von nah und fern,

großartig, Weihnachten ist großartig. Lehnen Sie sich zurück, entspannen Sie sich, es gibt eine wunderbare Nachricht, von der will ich Ihnen erzählen: Werfen Sie doch einmal einen Blick auf diese schöne sogenannte Tintenfassmadonna in unserem Hildesheimer Dom. Schauen Sie sich die mal in Ruhe an. 

Sie sehen Maria, eine junge, strahlende Mutter. Sie hält auf dem linken Arm ihren Sohn Jesus. Speziell ist: Maria trägt in der rechten Hand ein kleines Tintenfass. Jesus hält einen Federkiel. Offensichtlich ist Maria hier nicht nur die Mutter, die ihren Jungen stillt und umsorgt. Sie ist auch seine Lehrerin: Jesus soll schreiben lernen, daher der Federkiel.

Wenn Sie nochmal hinschauen, entdecken Sie vielleicht folgende Dynamik: Es ist so, als würde die Mutter ihrem Sohn sagen: „Junge, du wirst jetzt groß. Du musst lesen und schreiben lernen, du brauchst das!“ Der Junge aber, er dreht den Kopf zur Seite, wendet sich ab und sagt: „Nein, Mama, nicht schon wieder, nicht schon wieder. Ich will nicht.“ Und die Mutter denkt: „Junge, aus der Nummer kommst du nicht raus. Aber: Du schaffst das schon. Ich bleib bei Dir!“

Liebe Geschwister im Glauben, für mich ist diese Tintenfassmadonna mit ihrem Sohn ein Bild für das Geheimnis von Weihnachten. Warum?

Wir haben vorhin das Johannesevangelium gehört: „Im Anfang war das Wort, und das Wort war bei Gott. Und Gott war das Wort. Durch das Wort ist alles geworden.“ Ein Schlüsseltext. Auch zu Beginn der Bibel heißt es: „Gott erschafft durch das Wort.“

Anders formuliert: Die Welt lebt vom Wort. Auch wir leben von Wörtern, vom Gespräch, von der Kommunikation. Auch ich lebe vom Wort. Jeder von uns lebt vom richtigen Wort zur rechten Zeit. Jeder von uns lebt vom goldenen Wort.

Wenn wir in die Bibel schauen, entdecken wir weitere Tiefenschichten des „Wortes“: Das hebräische Original meint im Deutschen nicht nur „Wort“, sondern auch die „Arche“, in welcher Noah sich und seine Umwelt rettete. „Wort“ im Hebräischen bedeutet auch Bastkörbchen, also jenes Körbchen, in dem der junge Mose auf dem Nil vor den Totschlägern gerettet wurde. Kurzum: „Wort“ meint Rettung. Nichts anderes sagt das Johannesevangelium. Das Wort, „Jesus“, kommt in die Welt, um uns zu retten.

Und was heißt das jetzt für uns?

Insgeheim mögen Sie sich fragen: Was mache ich hier? Was mache ich eigentlich in dieser Welt? Dann sagt an Weihnachten der menschgewordene Gott Ihnen ganz ähnlich wie Maria ihrem Kind: „Diese Welt ist für Dich. Sie ist eine Schule für Dich. In dieser Schule wirst Du reifen. Du wirst lernen, Verantwortung für Dich selbst zu übernehmen. Darüber hinaus wirst du lernen, Verantwortung zu übernehmen für die Welt, die Menschen, das Klima, das Wasser und für eine gerechte und friedliche Gesellschaft.“

Vielleicht hat das Leben Sie in diesem Jahr besonders geprüft. Vielleicht vermissen Sie heute, an diesem Weihnachtstag, einen lieben Menschen, der im letzten Jahr noch da war. Dann schaut Gott Ihnen heute besonders tief in die Augen, wie mit mütterlichem Blick und sagt: „Du fällst nicht aus meinem Arm. Ich gebe Dir mein Wort. Du bist gerettet. Du bist nicht allein. Wer glaubt, ist nie allein.“ 

An Weihnachten feiern wir die Geborgenheit in Gott. Gott gibt auch den Gestrandeten, den Flüchtlingen, den Obdachlosen und den seelisch Unbehausten eine Heimat. Gott sagt jedem von Ihnen: „Gut, dass es Dich gibt. Deine Wärme strahlt aus, auch hinein in die Kälte der Gesellschaft. Dein Licht leuchtet in dieser Welt. Deine Gegenwart ist schön. Gäbe es Dich nicht, wäre es so, als würde sich die Sonne von der Erde losketten, und es würde auf der Erde kälter werden.

In der Tat, das ist Weihnachten: Gottes Wort sagt „Ja“ zu dir. Auch und gerade dann, wenn alles nur noch schwer ist. Wenn du denkst, du ertrinkst in den Fluten der Wasser, im Toben des Meeres. Wenn du denkst: Ich schaffe das nicht, ich gehe unter, wie Petrus. Wenn du um Hilfe schreist: „Herr rette mich!“ Ja, in all diesen dramatischen Situationen hält Gott dich. Gott beschützt und beschirmt dich, ganz so wie die Tintenfassmadonna ihren Sohn. Dabei spielt es überhaupt keine Rolle, ob du dich mit Gott schwertust und dich von ihm abgewandt hast. Gott hält dich trotzdem. So wie Maria ihren Sohn auch in all jenen Momenten seines Lebens hält, in denen er sich von ihr abgewandt hat.

Genau das aber sagt Gott heute jedem von uns: „Was für ein Tag! Was für ein Wort! Ich halte dich, egal, wie Du zu mir stehst. Auch du bist meine Tochter. Auch Du bist mein Sohn. Auch Dich habe ich hineingelegt in die Krippe dieser Welt.“

Amen