Grundlegende Reformen der Kirche sind existenziell

Zehn Generalvikare beziehen in einem Schreiben ausdrücklich Position für den Synodalen Weg

Zehn Generalvikare, darunter auch der Hildesheimer Generalvikar Martin Wilk, haben in einem gemeinsamen Schreiben ausdrücklich Position für den Reformprozess in der katholischen Kirche bezogen. 

"Im 'Weiter-so'-Modus werden wir unserem Auftrag nicht mehr gerecht werden können", schreiben sie in einem am Dienstag veröffentlichten Brief an den Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Reinhard Marx, und den Präsidenten des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK), Thomas Sternberg. Eine grundlegende Reform der Kirche halten sie demnach für "dringend notwendig, ja für existenziell".

Dazu wollen sie den am ersten Advent beginnenden Synodalen Weg "mit Nachdruck" unterstützen und setzen auf verbindliche Entscheidungen. Die Unterzeichner rufen alle am Reformprozess Beteiligten zu Offenheit auf und werben für einen respektvollen Dialog. "Wir bitten darum, auf gegenseitige Unterstellungen oder gar den Vorwurf mangelnder 'Rechtgläubigkeit' zu verzichten", erklärten sie.

Als wichtige Aspekte nennen die Verfasser des Briefes den Verlust an Vertrauen und die Frage nach der Handlungsfähigkeit der Kirche. In dem Brief heißt es: "Wir erleben schon seit längerer Zeit eine Kirche, die durch allgemeine gesellschaftliche Entwicklungen zunehmend ins Abseits gerät, aber die auch - und das ist für uns schwerwiegender - durch vielfaches, eigenes Verschulden an Glaubwürdigkeit verliert." Steigende Kirchenaustrittszahlen, eine "innere Zerstrittenheit unter Bischöfen, Priestern und Gläubigen", weniger Interesse bei jungen Menschen und sinkende Gelder lösten eine "große Betroffenheit und Ratlosigkeit" aus.

Zu den Unterzeichnern gehört auch der Hildesheimer Generalvikar Martin Wilk, der im Interview mit der KirchenZeitung die Beweggründe für diesen Brief erläutert. 

Herr Generalvikar, was soll dieser Brief bewirken?

In der katholischen Kirche gibt es gegenwärtig eine Vielzahl von Themen, die mit hohem Engagement diskutiert werden. Als Beispiele weise ich nur auf die Diskussionen im Kontext der Amazonas-Synode in Rom oder auf die Bewegung „Maria 2.0“ hin. Gleichzeitig nehmen wir schon seit längerem wahr, dass unsere Kirche in gesellschaftlichen Debatten eher randständig erscheint, oder sogar durch vielfaches, eigenes Verschulden an Glaubwürdigkeit verliert. Die Folgen sind dramatisch: Eine steigende Zahl von Gläubigen, die aus der Kirche austreten, eine innere Zerstrittenheit unter Bischöfen, Priestern und Gläubigen, eine zurückgehende Zahl von jungen Menschen, die bereit sind, sich in den Dienst der Kirche zu stellen, schwindende Ressourcen auch im Bereich der Finanzen.

Wir wünschen uns ein offenes Gespräch darüber, ob und wie sich die Gestalt von Kirche verändern soll. Mit diesem Brief wollen wir ermutigen, den Weg des Dialogs zu gehen und die Nöte und Ängste, aber auch die Freude und die Hoffnung der Menschen unserer Zeit ernst zu nehmen. Gleichzeitig wollen wir deutlich machen, dass wir nicht in der Analyse der Situation verharren wollen, sondern auch den Willen und die Bereitschaft haben, bei Veränderungen mitwirken zu wollen.

 Warum haben Sie sich persönlich dieser Initiative angeschlossen?

Der Brief ist im Kontext einer kollegialen Beratung entstanden. Kollegiale Beratung ist eine Methode, die in unterschiedlichen Gebieten, wie zum Beispiel der Medizin, der Pädagogik oder der Sozialarbeit angewendet wird und mit deren Hilfe sich Kollegen gegenseitig lösungsorientiert beraten können. Kurz nach meiner Ernennung zum Generalvikar wurde ich angesprochen, ob ich mir vorstellen könnte, an einem solchen Kreis teilnehmen zu wollen. Da ich diese Methode schon in meiner vorherigen dienstlichen Erfahrung geschätzt habe, war ich für dieses Angebot dankbar. Im Verlauf dieser kollegialen Beratung sind wir bei den vielen Themen immer wieder auch auf das Thema des Synodalen Weges gekommen. Daher gab es den Impuls, einen Brief zu verfassen, um unsere Unterstützung für diesen Prozess deutlich zu markieren.

Wie kommt es zum Kreis dieser zehn Unterzeichner? Warum machen die übrigen nicht mit?

Der Entstehungsort dieses Briefes ist die konkrete kollegiale Beratung von 10 Personen, die miteinander auf dem Weg sind. Die Größe solcher Gruppen ist immer begrenzt. Die  Zusammensetzung der Gruppe ist auch durch die regionalen Gegebenheiten bestimmt worden. Ich bin mir sicher, dass es weitere Ausdrucksformen und Wege gibt, die Unterstützung des Synodalen Weges deutlich zu machen. Als Gruppe haben wir nun die Form des Briefes gewählt, um deutlich zu machen, dass wir uns für diesen Weg in den Dienst stellen wollen.

Sie und die anderen Generalvikare mahnen eine „grundlegende Reform“ der deutschen Kirche an.  Welche konkreten Maßnahmen sind darunter zu verstehen?

Es gibt eine Vielzahl an Themen, über die wir in unserer Kirche sprechen müssen. Im ersten Schritt geht es um die Offenheit und die Bereitschaft, auch schwere Themen anzusprechen und zu diskutieren. Als Generalvikar ist mir persönlich die Frage des Umgangs mit Macht von zentraler Bedeutung. Mir ist bewusst, dass ich in meinem Dienst auch Macht ausübe. Umso  wichtiger ist es mir, meine Rolle und mein Handeln unter diesem Aspekt in den Dialog einzubringen und mich hinterfragen zu lassen. Wir gehen davon aus, dass die Ergebnisse des Synodalen Weges unsere Praxis wesentlich verändern werden.

Wir wollen das und sind offen für solche Veränderungen. Mehr noch: Gemeinsam mit unseren Bischöfen stehen wir als Verwaltungsverantwortliche in unseren Bistümern für die  Umsetzung von Beschlüssen des Synodalen Weges bereit.