Hildesheim Vorreiter bei Untersuchung zu Missbrauchsfällen
Kriminologe Christian Pfeiffer legt im Bistumsarchiv Grundstein für bundesweite Aktion
Hildesheim (bph) Das Forschungsprojekt zur Aufarbeitung sexuellen Missbrauchs an Minderjährigen im kirchlichen Bereich nimmt Formen an. Bei seinem heutigen Besuch im Hildesheimer Bistumsarchiv besprach der Leiter des Kriminologischen Institutes Niedersachsen (KFN), Dr. Christian Pfeiffer, wichtige Eckdaten für die Analyse der Personalakten von Geistlichen. Mitte November soll die Untersuchung in allen Diözesen beginnen.
„Hier startet unser Projekt“, sagte der Kriminologe im Gespräch mit Bistumsarchivar Dr. Scharf-Wrede. In der von der Deutschen Bischofskonferenz beauftragten Forschungsarbeit werden in allen deutschen Bistümern die Archive nach Hinweisen auf sexuellen Missbrauch durchforstet. In 18 Diözesen geschieht dies in einer Querschnittsanalyse von 2000 bis 2010, in neun ausgewählten – darunter Hildesheim – von 1945 bis 2010.
In einer Pilotphase wird nun in Hildesheim ein Aktenanalyse-Schema entworfen, das bundesweite Anwendung finden wird. Innerhalb von vier Wochen soll für die Mitarbeiter des Rechercheteams eine Anleitung entstehen, anhand derer belastbare Zahlen über den Missbrauch durch katholische Geistliche ermittelt werden können. Das Konzept muss vom Beirat, bestehend aus Vertretern des KFN und der Diözesen, diskutiert und genehmigt werden. Mitte November fällt der Startschuss für ganz Deutschland, so die Planung.
Das Hildesheimer Team aus dem Bistumsarchivar und einer Mitarbeiterin findet Unterstützung durch zwei ehemalige Strafrichter, Dr. Karl Kröpil, langjähriger Präsident des Niedersächsischen Landesjustizprüfungsamts, und Ulrich Schmidt, bis 2007 am Landgericht Hildesheim tätig. Allerdings: „Die Juristen bekommen die Akten nur in die Hand, wenn es Verdachtsfälle gibt. Der Filterprozess liegt ausschließlich in den Händen der Bistümer“, betonte Pfeiffer. Die Juristen entscheiden, ob die betroffenen Akten erfasst und anonymisiert an das KFN weitergleitet werden. „Unser Institut bekommt keine einzige Akte zu Gesicht“, unterstrich der Kriminologe.
„Für uns ist es ein wichtiger Aspekt von Transparenz, dass wir die Akten über diesen langen Zeitraum unter die Lupe nehmen“, sagte Bistumsarchivar Scharf-Wrede. Eine Aussage über die Dauer der Untersuchung lässt sich zum jetzigen Zeitpunkt nicht machen. Allein im Bistum Hildesheim sind 1770 Akten zu sichten.