In Chaquí ist der Segen des Bischofs gefragt

Trelle setzte Bolivien-Besuch mit Gottesdienst und Minen-Besichtigung fort

In Bolivien hat Bischof Norbert Trelle einen Gottesdienst mit Prozession gefeiert und sich über die sozialen Probleme des Landes informiert. Am Montag fliegt er zurück.

Sonntag ist der Tag, um Gott zu danken. Bischof Ricardo Centellas hat die Delegation um Bischof Norbert Trelle zu einer Fahrt nach Chaquí eingeladen. Ein Ort, wo der heilige Jakobus besonders verehrt wird, gut 36 Kilometer von Potosí entfernt. Und morgen ist der Gedenktag des Apostels.

In der St.-Jakobus-Kirche zu Chaquí sind alle Bänke rausgeräumt. Und trotzdem kann keine Nadel zu Boden fallen. Dicht an dicht stehen die Besucher der heiligen Messe. Oftmals tragen Sie kleine Kästchen bei sich – mit Bildnissen des Heiligen Jakobus. Oder Spielzeug, dass ihn darstellen soll. Immer noch drängen Menschen in die Kirche. Sardinen haben mehr Platz in ihrer Dose.

Höhepunkt des Gottesdienstes: eine kurze Prozession um den Kirchplatz mit einer Figur des zu Pferde sitzenden Heiligen. Hände greifen nach der Figur, Blütenblätter werden geworfen. Immer wieder werden die beiden Bischöfe während der Prozession um einen Segen gebeten. Und "gebeten" wird deutlich. Nicht nur einmal wird kräftig an seiner Soutane gezupft.Der Kirchplatz, der mit der Prozession umrundet wird, ist nicht nur voll mit Menschen. Auch mit Ständen, an denen Fleisch gebraten, Bier, Eis und mancher Nippes verkauft wird. Gottesdienst trifft Fiesta. Nicht ungewöhnlich in Bolivien.

Einen Tag später treten die sozialen Probleme in den südamerikanischen Land deutlich zu Tage. Trelles Delegation trifft sich an diesem Morgen mit Kinderarbeitern. Mit dabei: Luz Rivera Daza. Sie leitet das Casa Nat's der Diözese Potosí. Dort können sich arbeitende Kinder treffen. Für Nachhilfe, für soziale Unterstützung, aber auch zum Spielen und Reden.

Die 19-jährige Lourdes Sánchez engagiert sich in der Gewerkschaft der Kinderarbeiter. Sie gehörte zu den Friedhofskindern, studiert heute soziale Arbeit und betreibt eine kleine Schneiderwerkstatt. "Ich weiß, dass ihr in Europa anders denkt", sagt sie. Aber Kinderarbeit in Bolivien einfach zu verbieten, sei keine Lösung. Nach der Verfassung von 2008 ist sie das sogar.

"Aber das hilft den Kindern nicht, weil sie arbeiten müssen, damit sie genug zum Leben haben", meint auch Luz Rivera Daza.Von den Kindern selbst, von ihrer Gewerkschaft ging der Anstoß zum Gesetz über Kinderarbeit in Bolivien aus. Kinder ab zehn Jahren dürfen arbeiten, allein über 14 Jahren muss der Mindestlohn gezahlt werden. Verboten wird, Kinder für Arbeiten einzusetzen, die ihre Würde, ihre Gesundheit oder ihr Recht auf Bildung verletzen. Der Ausbeutung von Kindern sollte ein Riegel vorgeschoben werden.

2014 hat die bolivianische Regierung das Gesetz verabschiedet – und einen Sturm der Empörung geerntet, vor allem von der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO). "Das hilft uns und den 8000 arbeitenden Kindern in Potosí aber nicht weiter", sagt Generalvikar und Caritasdirektor Padre Marco Abascal. Denn durch das internationale Gezerre werde das Gesetz nur zögerlich umgesetzt: "Es müssten noch viel mehr Mittel des Staates in soziale Projekte für Kinderarbeiter fließen."

Mit Padre Marco fährt die Delegation zu dem Ort, in dessen Schatten, Potosí seit der Gründung im 16. Jahrhundert steht – dem Cerro Rico, dem reichen Berg. Noch heute werden dort Mineralien aus dem Berg gesprengt: Silber, Blei, Zink und Zinn. Der Cerro Rico sieht merkwürdig flach aus. Kein Wunder: Die Spitze des Berges ist durch die zahllosen Stollen bereits eingestürzt.Die Mengen an Silber, die aus ihm herausgeholt wurden, sind atemberaubend. Mit dem Silber allein könnte eine Brücke bis nach Spanien gebaut werden, heißt es. Und noch eine zweite Brücke daneben: mit den Knochen der Indios, die dafür ihr Leben gelassen haben. Die zwei Seiten des Bergbaus.

Padre Marco führt die Delegation zu einer kleinen Mine, die von einer der insgesamt 27 Kooperativen am Cerro Rico betreiben wird. Der Eingang: Ein kleines Loch. Ein Tunnel, der bereits im 16. Jahrhundert in den Berg getrieben wurde. Hackenschlag für Hackenschlag. Schmal ist der Tunnel, so niedrig, dass es nur gehockt weitergeht. Alte Balken ragen in den Weg. "Alle 100 Jahre werden sie erneuert", sagt Hernan, der die Gruppe führt. Nach wenigen Metern erhellt nur noch der Schein der Helmlampen den Stollen. Und doch zählt die Mine dieser Kooperative noch zu den sichersten am Cerro Rico. Andere Stollen sind schlicht lebensgefährlich.

Der Ertrag muss dem Berg hart abgerungen werden. Mit Dynamit werden Mineralien aus den Adern im Berg herausgesprengt. MIt Schubkarren werden Mineralien und Abraum zu Sammelstellen gebracht, dann mit einer Lore abgefahren. Es folgt der entscheidende Moment: Der Ertrag wird bewertet.Die Mineros in der Kooperative arbeiten auf eigene Rechnung. Kein garantierter Lohn wie bei der staatlichen Bergbaugesellschaft. Entsprechend schwankend ist ihr Verdienst. Menge, Güte – all das beeinflusst das, was sie zum Leben haben und wofür sie ihre Gesundheit aufs Spiel setzen. Wie hart dieses Leben ist, hat der Gruppe um Bischof Norbert Trelle schon die gute Stunde im Berg gezeigt. Aufatmen, als das Tageslicht durch den Stolleneingang scheint.

Doch die Besuchsreise geht weiter:  Vor der Abfahrt in Richtung Uyuni noch ein Halt wieder bei den Schwestern vom Kinde Jesu in Azángaro: eine Einladung zum (späten) Mittagessen. Schließlich gibt es dort nicht nur den besten Kaffee in der ganzen Diözese Potosí, sondern auch die leckersten Nudeln. Wieder wurde nicht zuviel versprochen. Der Abschied ist herzlich.

Dieser Text ist ein Auszug aus dem Blog von Kirchenzeitungsredakteur Rüdiger Wala, der den Bischof begleitet. Alle Berichte und Bilder von der Bolivien-Reise sind hier zu finden.