Keiner der in Schablonen passt

Der emeritierte Hildesheimer Bischof Dr. Josef Homeyer würdigt Papst Benedikt XVI.

Das Kollegium der Kardinäle, das die eine Weltkirche repräsentiert, hat Joseph Kardinal Ratzinger, den Präfekten der Glaubenskongregation und engsten Wegbegleiter Johannes Paul II., zum Papst gewählt. Danken wir Gott für diese Wahl und freuen wir uns mit allen Katholiken, aber auch mit der Ökumene im Erdkreis über den neuen Papst.

Wer ist Benedikt XVI. für mich? – jedenfalls keiner, der mit Schablonen abzufertigen wäre: konservativ, unmodern, frauenfeindlich und was sonst noch zu hören ist. Besonders in Deutschland war man ja erschreckend schnell mit solchen Schablonen bei der Hand. Wobei auffällt, dass solche Vor-Urteile in deutlichem Gegensatz zu den Wahrnehmungen der Weltkirche stehen.

Keiner der in Schablonen passt. Die Weite und Tiefe seiner Theologie, seine kniende und betende Theologie mehr noch als seine argumentierende übersteigt jeden vorschnellen Misskredit. Ein Konservativer? Gewiss – einer, der von weither kommt: Augustinus, Vätertheologie, die gewaltigen Gebirge der Scholastik, die neueren theologischen Aufbrüche: dieser lange Weg der Theologie, diese mühsamen Versuche, das Geheimnis Gottes nachzusprechen, dies ist das schwere Gepäck, manchmal auch die Notration, die Benedikt XVI. weitertragen wollte und will. Wer so von weither kommt, ist kein guter Kumpel des Zeitgeistes, nicht des gestählten Ökonomismus, nicht des heiteren Relativismus. Die Botschaft Jesu Christi ist eine frohe Botschaft, aber sie paktiert nicht mit allem und jedem: manchmal muss sie unverträglich sein mit einer allzu glatten Heutigkeit. Es gibt so etwas wie eine katholische Bockigkeit gegenüber einer allzu selbstgewissen Moderne. Aber: um des Menschen willen, um seiner theologischen Würde, die in der Ehre Gottes wurzelt. Das hat uns der theologische Lehrer Benedikt XVI. immer wieder eingeschärft. Und ganz sicher konnte man, so ist meine Erfahrung über Jahrzehnte mit ihm, wenn man meinte widersprechen zu müssen, von ihm noch lernen.

Immer wieder und zuerst hat er das Konzil "übersetzt". Er war selber Konzilstheologe, Berater von Kardinal Frings, und so als jüngster Theologieprofessor in Deutschland von erheblichem Einfluss. Aber das Konzil musste nach seinem Ende seine Gestalt noch finden, in ganz unterschiedlichen Herausforderungen der Ortskirchen sein Profil gewinnen. Es brauchte die Konzilsväter und Konzilsmütter in den Gemeinden. Solche Ausfaltung war und ist mühsam, vor allem ist sie nicht ohne Konflikte zu haben. Gerade in ihnen hat Papst Benedikt immer wieder das Wesentliche des Konzils zu sagen versucht, das entscheidend Unterscheidende, das uns erst pastorale Spielräume eröffnet. "Vom Wiederauffinden der Mitte" lautet ein Buchtitel, der diese ungeheure Konzentration auf das Wesentliche immer neu markiert.

Nicht zuletzt im Entstehen der Strukturplanung "Eckpunkte 2020" haben wir uns in der Diözese Hildesheim immer wieder stark an seiner Theologie und der "Grundschwingung" zum Wesentlichen hin abgearbeitet, man denke beispielsweise an die Option "Die Eucharistie im Zentrum der Gemeinde."

Ganz sicher bin ich, dass der Papst – wie sein Vorgänger! – die Freude am Glauben in einer Kirche, die gerade in Europa oft müde wirkt, neu stärken wird. Dass solche Freude sich nicht an den Armen und Bedrängten vorbeistiehlt, hat das Konzil uns eingeschärft. Das wünsche ich Papst Benedikt: Dass wir unseren Glauben in den großen sozialen Herausforderungen heute mit ihm bewähren, dass wir als die eine Weltkirche unser Credo in die Antlitze der Armen hineinsprechen.

Hildesheim, 20. April 2005
Bischof em. Dr. Josef Homeyer