„Mit blauem Auge davon gekommen“

Bischof Norbert Trelle besucht das von der Flut bedrohte Bleckede

„Wir haben Sie in Hildesheim nicht vergessen“, betonte Bischof Trelle am Sonntagvormittag im Gottesdienst in der Pfarrgemeinde St. Maria Königin in Bleckede. Er zeigte sich erfreut, dass die schlimmen Erwartungen am Ende nicht eingetroffen sind. Fast zeitgleich mit seiner Ankunft konnte der Katastrophenalarm für den Kreis Lüneburg aufgehoben werden.

„Es könnte hier heute auch ganz anders aussehen, wir sind mit einem blauen Auge davon gekommen“, sagte Pfarrer Peter Klemm. Nur 50 Zentimeter haben gefehlt und die Elbe hätte Bleckede mit seinen 10.000 Einwohnern überschwemmt. Etwa 4.300 Helfer von Technischem Hilfswerk, Feuerwehr, Polizei und Bundeswehr haben zur Rettung beigetragen. Der Deich wurde um 30 Zentimeter erhöht, weit mehr als eine Million Sandsäcke wurden gefüllt und geschichtet. „Es ist erstaunlich, wie viele Menschen sich in Katastrophen verbinden und gegenseitig helfen“, dankte der Bischof den vielen professionellen und freiwilligen Helfern.

Die Gruppe der Firmlinge griff im Gottesdienst das Thema auf und erinnerte an die bolivianische Partnergemeinde in Titicachi, die mit der ständigen Bedrohung durch Naturkatastrophen lebt. Überschwemmungen und Dürreperioden sind dort an der Tagesordnung. Die Jugendlichen brachten bolivianische Trockenkartoffeln, ein wichtiges Nahrungsmittel des Andenlandes, sowie Joghurt mit abgelaufenem Verfallsdatum und überreifes Obst zum Altar, beides wäre im Supermarkt am Vortag vernichtet worden. Ein Sandsack und eine Schaufel erinnerten an die Not der vergangenen Tage im eigenen Land.

Die Jugendlichen hatten an der 72-Stunden-Aktion des BDKJ „Uns schickt der Himmel“ teilgenommen und parallel zur Partnergemeinde in Südamerika Aktionen in Bleckede gestartet. So retteten sie in den Supermärkten abgelaufene Lebensmittel vor dem Müll und bereiteten daraus ein schmackhaftes Mittagsbuffet für die Gemeinde. Jugendliche in Bolivien pflanzten in dieser Zeit Baumsetzlinge für das dortige Misereorprojekt, um mit der Anlage von Agroforstgärten auf den trockenen Äckern ihrer Dörfer der drohenden Unterernährung begegnen zu können.

Ein Bild von einem Einzelschicksal in Bleckede konnte sich Bischof Trelle bei der Familie Hess machen, die nur 50 Meter hinter dem Deich wohnt. 2006, als es noch keinen Deich gab, stand das Wasser kniehoch in der Wohnung der vierköpfigen Familie. „Wir hatten gerade alles renoviert und konnten wieder von vorn anfangen“, klagt die Mutter Ivana Hess. In den letzten Tagen sei sie wie gelähmt gewesen, weil erneut alles in Gefahr war. „Wir sind sehr erleichtert, der Druck war kaum auszuhalten“, sagt die 42-Jährige.

Die Elbe hat immer noch einen Stand von über elf Meter, aber die Deiche werden wohl halten. Die Sicherungsmaßnahmen der Familie, wie das Hochstellen der Möbel und Anbringen von Planen an den Außenmauern, können wieder beseitigt werden. Was bleibt, ist die Angst vor dem nächsten Hochwasser.