Heiliges Jahr 2015-2016: „Jubiläum der Barmherzigkeit“

Heilige Pforte im Hildesheimer Dom.

Die Heilige Pforte des Bistums Hildesheim ist die Christustür. Sie befindet sich im "Nordparadies", dem überdachten Nordeingang zum Hildesheimer Dom.

Papst Franziskus hat am 13. März 2015 im Petersdom die Feier eines außerordentlichen Heiligen Jahres angekündigt. Dieses „Jubiläum der Barmherzigkeit“ beginnt mit der Öffnung der Heiligen Pforte im Petersdom am Hochfest der Unbefleckten Empfängnis Mariens 2015 (8. Dezember 2015) und endet am 20. November 2016 mit dem Christkönigssonntag.

Bereits Anfang 2015 hat der Papst gesagt: „Das ist die Zeit der Barmherzigkeit. Es ist wichtig, dass die Gläubigen sie leben und in alle Gesellschaftsbereiche hineintragen. Vorwärts!“ Die Ankündigung fand am zweiten Jahrestag der Wahl von Papst Franziskus statt, während der Predigt in der Bußfeier im Petersdom.

Die Eröffnung des Heiligen Jahres erfolgte am 50. Jahrestag des Abschlusses des Zweiten Vatikanischen Konzils. Es ist damit zugleich eine Einladung, das mit dem Konzil begonnene Werk fortzuführen. Das Jubiläum findet in dem Zeitrahmen statt, in dem die Lesungen an den Sonntagen des Jahreskreises aus dem Lukasevangelium genommen werden. Der hl. Lukas wird auch der „Evangelist der Barmherzigkeit“ genannt. Der italienische Dichter und Philosoph Dante Alighieri definierte ihn als „scriba mansuetudinis Christi” – als „Übermittler der Sanftmütigkeit Christi“. Bekannt sind aus dem Lukasevangelium die Gleichnisse der Barmherzigkeit wie etwa das Gleichnis vom verlorenen Schaf und von der verlorenen Drachme sowie das Gleichnis vom barmherzigen Vater.

Die offizielle Ankündigung des Heiligen Jahres geschieht durch die feierliche Proklamation einer eigenen Urkunde. Der Papst hat diese sogenannte Bulle am Vorabend zum Barmherzigkeitssonntag (11. April 2015) in der Eingangshalle des Petersdoms durch Leonardo Sapienza, einen der Apostolischen Protonotare, verlesen lassen. Der Barmherzigkeitssonntag wurde von Papst Johannes Paul II. eingeführt. Er findet jeweils am Sonntag nach Ostern statt.

Quelle: Deutsche Bischofskonferenz

Hildesheimer Dom mit Fahnen des Bistumsjubliäums.

Ein Weg der Barmherzigkeit im Dom zu Hildesheim

Auf der Internetseite des Hildesheimer Dom St. Mariä Himmelfahrt erhalten Sie weitere Informationen im Dom zu Hildesheim.

„Barmherzigkeit biblisch“ | Kurzdossier

„Barmherzigkeit“ zählt zu den elementaren biblischen Grundbegriffen und bezieht sich sowohl auf das Wesen (Gottes sowie des Menschen) als auch auf konkrete Handlungen. Barmherzigkeit ist somit grundsätzliche Haltung und konkrete Tat zugleich, auf jeden Fall mehr als reines Gefühl, denn eine Haltung ohne Tat bleibt bloße Theorie. …

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Dabei kommt die Barmherzigkeit Gottes, die biblisch das innerste Wesen Gottes beschreibt (im Ver ‐ bund mit „Treue“) und geradezu als „Titel“ Gottes verwendet werden kann (vgl. z. B. Jes 49,10; 54,10: „der Erbarmer“), jedem menschlichen Erweis von Barmherzigkeit zuvor. Sie ist bedingungslos und schöpferisch; ein Anspruch auf sie kann nicht verdient werden. Gott als Subjekt verlässlicher Barmherzigkeit – dies ist eine der Urerfahrungen Israels. Die hymnische Tradition der Psalmen be ‐ schreibt „Barmherzigkeit“ als eine Erscheinungsform Gottes, die gegenwärtig erfahrbar ist. Ex 34,6f. stellt mit der (vermutlich liturgisch verortbaren) „Gnadenformel“ einen Höhepunkt der göttlichen Selbstoffenbarung dar und betont den Vorrang von Barmherzigkeit (und Gnade) vor Zorn und Strafe. Unterm Strich überwiegt die göttliche Barmherzigkeit die Gerechtigkeit. Neutestamentlich wird die Barmherzigkeit Gottes im göttlichen Heilshandeln in und durch Jesus Christus präsentisch konkret – mit eschatologischer Tiefendimension. Hier ergeben sich enge Berührungspunkte zur Gnade Gottes.

Die Barmherzigkeit Gottes, der der Mensch sein gesamtes Leben verdankt und auf die der Mensch gerade im Gericht zentral angewiesen ist (vgl. betont bei Paulus: die Rechtfertigung des Sünders im Gericht ist ein Akt der Barmherzigkeit Gottes), ist wiederum Vorbild und Richtschnur für den Men ‐ schen bzw. soll dies sein. In Nachahmung Gottes (vgl. Mensch als Ebenbild Gottes) ist der Mensch gefordert, seinerseits barmherzig zu seinen Mitmenschen (und Mitgeschöpfen) zu sein und darin die erfahrene göttliche Barmherzigkeit zu bezeugen und erinnernd zu vergegenwärtigen. Besonders die weisheitliche Literatur (hier wird der Tun ‐ Ergehen ‐ Zusammenhang stark gemacht) sowie die Psalmen erheben hier motivierend und mahnend die Stimme. Versagt der Mensch an dieser Stelle, dann trifft ihn die prophetische Kritik ebenso wie der Zorn Gottes.

In sprachlicher Hinsicht finden sich in der Bibel mehrere Begriffe, die zum weiteren Wortfeld „Barm ‐ herzigkeit“ gehören. Im Alten Testament sind dies hæsæd , rhm/ræhæm/rah a mim , hnn ; im Neuen Testament eleos/eleeo , splagchnizomai und oiktirmos/oiktiro . Alle Begriffe können auch mit „Barm ‐ herzigkeit/barmherzig (sein)“ übersetzt werden, weisen jedoch jeweils spezifische Akzente auf.

  • Hæsæd = Güte, Treue, Huld, Liebe, Gunst, Gnade, Wohlwollen. Hier schwingt einerseits der Ge ‐ danke der Gegenseitigkeit mit, andererseits bleibt deutlich, dass es sich um etwas Besonderes im wechselseitigen Verhalten handelt. Hæsæd ist ungeschuldeter Ausdruck der Großherzigkeit. Gott oder ein Mensch sind selbstverzichtend bereit, für den anderen (in existenzieller Not) dazu ‐ sein.
  • Rhm/ræhæm/rah a mim = mütterlich sein, Mutterleib/ ‐ schoß, Eingeweide. Hier ist stärker die Emotionalität (mütterliche/familiäre Verbundenheit) impliziert. Die liebende Zuneigung „ent ‐ brennt“ und ist besonders auf Schwache ausgerichtet. Sie wird vom Höherstehen ‐ den/Übergeordneten dem Schwächeren (z. B. Kind, Sünder) erwiesen. ƒ
  • Hnn = sich herabneigen, gnädig sein, Gunst erweisen (ursprünglich höfischer Kontext). Die mit ‐ fühlende Teilnahme meint eine Begünstigung des bedürftigen Gegenüber, die die positive Wür ‐ digung des anderen einschließt. Der andere wird in seiner persönlichen (Not ‐ )Situation berück ‐ sichtigt, wobei besonders die Schwachheit und Erbarmenswürdigkeit in den Blick kommt.
  • Eleos/eleeo = Mitleid, Erbarmen (haben). Das Übel/die Not, das/die einen anderen Menschen betrifft, führt zu einer Gemütsbewegung, aus der wiederum eine helfende Tat resultiert. Gott fordert vom Menschen Tatkraft gegenüber dem notleidenden Mitmenschen – anstelle von Op ‐ fern. ƒ
  • Splagchnizomai = sich erbarmen. Dieses Wort weist auf die „Eingeweide“ („innere Organe“, „Herz“) als Sitz des Mitgefühls hin. Auch dieses Gefühl drängt zur Tat, zur positiven Zuwendung zu anderen. Neutestamentlich wird uns Jesus als Vorbild vor Augen gestellt: Er nimmt sich er ‐ barmend der in Not befindlichen Menschen an (vgl. Speisungserzählungen, Wundererzählun ‐ gen). ƒ
  • Oiktirmos/oiktiro = Mitleid, Erbarmen (haben). Hier kommt neutestamentlich v. a. die rettende Heilstat Gottes in Tod und Auferweckung Jesu Christi in den Blick.

Trotz der semantischen Vielfalt lassen sich – wie eingangs summiert – biblisch einige Kernpunkte von „Barmherzigkeit“ als zentralem theologischen Begriff identifizieren. Entscheidend ist, dass alle Men ‐ schen ihr Leben der göttlichen Barmherzigkeit verdanken und somit gefordert sind, Gottes Barmher ‐ zigkeit nachzuahmen, weiterzuschenken und im eigenen Leben weiterwirken zu lassen. Barmherzig ‐ keit muss getan und damit konkret erfahrbar werden. Insofern spielt Barmherzigkeit besonders in ethischen Diskursen (Letztbegründung ethischen Handelns) eine wichtige Rolle.

Stellensammlung zu „Barmherzigkeit“

  • ƒmit Blick auf Gott/Gottes Wesen: Ex 34,6f. ( rahum / oiktirmon , hanun / ele ē mon ) und zahlreiche weitere Stellen (z. B. Dtn 4,31; 2 Chr 30,9; Ps 86,15; 103,8) ƒ
  • prophetische Überordnung über Opfer: Hos 6,6 ( hæsæd / eleos ); vgl. Mt 9,13; 12,7 ( eleos ) ƒ
  • Seligpreisung: Mt 5,7 ( ele ē mones ) ƒ
  • als Ermöglichungsgrund für Umkehr, Vergebung und Heil und in Verbindung mit der Sendung Jesu: Lk 1,77f. ( splagchna eleous
  • Aufforderung an die Menschen, dem Vorbild Gottes nachzueifern bzw. erfahrene Barmherzigkeit weiterzugeben: Lk 6,36 ( oiktirmones, oiktirmon ); Mt 18,23–35 („Gleichnis vom unbarmherzigen Gläubiger“; V. 27: splagchnistheis ; V. 33: ele ē sai ; ē le ē sa ) ƒ
  • Beispielgeschichte zur Frage „Wer ist mein Nächster?“: Lk 10,29–37 („Beispiel vom barmherzigen Samariter“; V. 33: esplagchnisth ē ; V. 37: eleos ) ƒ
  • Barmherzigkeit als Rettung im Gericht: Jak 2,13 ( eleos ) ƒ
  • Weisheitliche Lehre: Sir 40,15–17 ( ele ē mosun ē ) ƒ
  • zwischen Menschen (erwiesene Barmherzigkeit/Wohltat übersteigt das normale Maß; Gegenseitigkeit wird eingefordert): Jos 2,1–24 („Die Kundschafter bei Rahab in Jericho“; V. 12.14: hæsæd / eleos ) ƒ
  • Mütterliche/väterliche Gefühle: Jer 31,20 ( rahem / eleon ); Jes 49,15 ( rahem / ele ē sai ); Ps 103,13 ( rahem / oiktirei ); Lk 15,11–32 („Gleichnis vom barmherzigen Vater/verlorenen Sohn“; V. 20: esplagchnisth ē ) ƒ
  • Jesus hat Mitleid mit Menschen: Mk 1,40–45 („Heilung eines Aussätzigen“; V. 41: splagchnistheis ); Mk 8,1–9 („Speisung der 4000“; V. 2: splagchnizomai )

 

Literaturhinweise
I. Broer, Art. Barmherzigkeit. I. Biblisch, in: LThK 2 ( 3 1994) 13–15.
R. Kampling, Art. Barmherzigkeit, in: HGANT ( 3 2012) 106–108.
R. Scoralick, Art. Barmherzigkeit. I. Altes Testament, in: RGG 1 ( 4 1998) 1116f. F. Staudinger, Art. eleos ktl. , in: EWNT 1 ( 2 1992) 1046–1052.
H. J. Stoebe, Art. hnn / gnädig sein , in: THAT 1 ( 6 2004), 587–597.
H. J. Stoebe, Art. hæsæd / Güte , in: THAT 1 ( 6 2004) 600–621.
H. J. Stoebe, Art. rhm / sich erbarmen , in: THAT 2 ( 6 2004) 761–768.
N. Walter, Art. splagchnizomai , in: EWNT 3 ( 2 1992) 633f.
N. Walter, Art. splagchnon , in: EWNT 3 ( 2 1992) 635f.
H. Weder, Art. Barmherzigkeit. III. Neues Testament, in: RGG 1 ( 4 1998) 1118f.
J. Wehrle, Art. Barmherzigkeit, in: NBL 1 (1991) 241–244.

 

Termine zum Jahr der Barmherzigkeit im Bistum Hildesheim

8. Dezember 2015
Eröffnung des Jahres der Barmherzigkeit in Rom durch Papst Franziskus

 

13. Dezember 2015, 10 Uhr
Eröffnung des Jahres der Barmherzigkeit im Bistum Hildesheim durch Bischof Norbert Trelle mit der Öffnung der Christustür

14. Februar 2016, 18 Uhr
(1.
Fastensonntag)
Fastenpredigt im Dom zu Hildesheim: Dr. Klaus Krämer, MISSIO/KMW

21. Februar 2016, 18 Uhr
(2.
Fastensonntag)
Fastenpredigt im Dom zu Hildesheim: Gertrud Casel, JUSTITIA ET PAX

28. Februar 2016, 18 Uhr
(3. Fastensonntag)
Fastenpredigt im Dom zu Hildesheim: Prälat Bernd Klaschka, ADVENIAT

13. März 2016, 18 Uhr
(5. Fastensonntag)

Fastenpredigt im Dom zu Hildesheim: Msgr. Pirmin Spiegel, MISEREOR

20. März 2016, 18 Uhr
(6. Fastensonntag)
Fastenpredigt im Dom zu Hildesheim: N.N., RENOVABIS

21. Mai 2016
„Selig die Barmherzigen“ – ein Weg der Versöhnung für junge Menschen in Bergen ‐ Belsen; veranstaltet durch den Fachbereich Jugendpastoral

17./18. Juni 2016
Studientag: Barmherzigkeit in der Bibel; veranstaltet durch die Arbeitsstelle für pastorale Fortbildung und Beratung

26. bis 31. Juli
Weltjugendtag in Krakau: „Selig die Barmherzigen, denn sie werden Erbarmen finden“; begleitet durch den Fachbereich Jugendpastora

16. September, 15 bis 20 Uhr
Studientag Ökumene: „`Da bist du selig worden ́. Der katholische Luther und sein Lob der Taufe“ (Arbeitstitel) Referenten: P. Dr. Augustinus Sander OSB; Dr. Irene Mildenberger; veranstaltet durch die Ökumenkommission

20. November, 10 Uhr
Beendigung des Jahres der Barmherzigkeit durch Bischof Norbert Trelle mit der Schließung der Christustür