Norbert Trelle – ein pastoraler Bischof

Bodenständig, humorvoll und nah bei den Menschen ist Bischof Norbert Trelle. Eine Würdigung des Hildesheimer Oberhirten von Professor Jürgen Manemann, Direktor des Forschungsinstituts für Philosophie Hannover.

Ämter verändern Menschen, oft nicht zum Vorteil. Wer den Fallstricken des Amtes entgehen will, darf sein Menschsein nicht verstecken. Er muss bodenständig sein, nahbar, zugewandt, Selbstironie besitzen. All das trifft auf Bischof Norbert Trelle zu: Im wahrsten Sinne des Wortes ist er ein Mensch mit Bodenhaftung. Nichts verdeutlicht diese Eigenschaft so sehr wie seine Arbeit im Garten. Dort baut er mit seinen eigenen Händen Kartoffeln an, nicht nur heimische, auch bolivianische. Bischof Norbert strahlt Respekt aus, aber niemals Angst. Er kann auf Menschen zugehen und sie für sich gewinnen. Er ist ein Mann des Humors. Diese Fähigkeit baut Brücken, befreit von Verkrampfungen. Bischof Norbert ist ein lachender Bischof. Kirche ist für ihn kein lachfreier Raum. Lachen, vor allem auch über sich selbst, schützt vor Fundamentalismus und bewahrt vor Zynismus.

Gelebtes Vertrauen ist Trelle wichtig

Bischof Norbert liebt die Menschen. Er ist gern mit anderen Menschen zusammen. Diese Verbundenheit mit den Menschen ist Ausdruck seiner tiefen Gottesliebe. Sie verpflichtet ihn nicht zuletzt auf eine ökumenische Hoffnung, die sich nicht in der Forderung nach Einheit zwischen der katholischen und der evangelischen Kirche erschöpft, sondern dazu antreibt, dass mehr und mehr sichtbare Einheit lebendig wird. Dabei reduziert Bischof Norbert die Ökumene nicht auf diese Einheit, seine Vision ist umfassend. Aus diesem Grund pflegt er vielfältige Kontakte zu den orthodoxen Kirchen. Der interreligiöse Dialog ist ihm eine Selbstverständlichkeit. Er bedeutet für ihn auch stets mehr als Respekt. Ihm kommt es auf gelebtes Vertrauen an. Und dieses erweist sich dann, wenn der eine für den anderen einsteht. So hat Bischof Norbert an verschiedenen Orten davor gewarnt, dschihadistischen Terror und Islam in einen Topf zu werfen. Mit entschiedener Deutlichkeit lehnt er alle Versuche ab, die hier lebenden Muslime unter einen generellen Terrorverdacht zu stellen. Das war und ist für ihn Diskriminierung. Und wer diskriminiert, fördert Radikalisierung.

Engagement für Geflüchtete

Bischof Norbert hat immer wieder Haltung bewiesen. Wegen seines mitfühlenden Engagements für Geflüchtete und seines klaren Standpunktes in der Flüchtlingsfrage wurde er mit dem Edith-Stein-Preis ausgezeichnet. Weit über Hildesheim hinaus hat er sich als „Migrationsbischof“ einen Namen gemacht. Er war nicht nur der Vorsitzende der Migrationskommission der Deutschen Bischofskonferenz, sondern engagierte sich auch im „Katholischen Forum Leben in der Illegalität“. Dass das Engagement für Geflüchtete ihm zur Lebensaufgabe geworden ist, hat auch biographische Gründe. So schreibt er:

„Das Wort meiner Mutter fällt mir ein, dass sie uns Kindern in ihrer Niederschrift über die Schrecknisse ihrer Flucht am Ende des Krieges hinterlassen hat. In Herleshausen angekommen, konnten die Vertriebenen unter primitivsten Umständen endlich wieder eine Heilige Messe feiern. Nach aller Entbehrung, so schreibt sie, »spürte ich, wieder daheim zu sein […]«. Menschen suchen nach Flucht und Vertreibung ein neues Daheim und vor allem ein Dach für ihre Seele. Eine Welt, die an ihre Grenzen stößt, Menschen, die unter dem Druck der Zeit müde werden, suchen dies zuerst: Ein Dach für ihre Seele.“

Dass er als „Baumeister“ in die Annalen des Bistums eingehen würde, damit hat Bischof Norbert wohl nicht gerechnet. Ein solches Großprojekt wie die Domsanierung anzugehen, erfordert viel Gottvertrauen. Was hätte nicht alles falsch laufen können? Ja, der Etat wurde überzogen, aber mit dem Ergebnis ist doch die Mehrheit der Gläubigen sehr zufrieden. Zu einem solchen Projekt bedarf es der Tugend des Mutes – und natürlich vieler Menschen, die das Projekt mitverantwortet und mitgesteuert haben.

„Ich fühle mit den Betroffenen“

Mut machen – darin sieht Bischof Norbert auch seine Aufgabe im Blick auf die Neuordnung der Gemeinden. In seiner Amtszeit hat er den von seinem Vorgänger, Bischof Josef Homeyer, erstellten Strukturplan „Eckpunkteprogramm 2020“ fortgeführt. So musste er die Zahl der Pfarreien von 313 auf 119 reduzieren. In der Krise die Hoffnung nicht zu verlieren, loslassen zu können, damit Neues entstehen kann, so lauten seine Botschaften an die Gemeinden. Die Schließung von mehreren Dutzend Kirchen und die damit einhergehenden Verwerfungen haben ihn nie kalt gelassen. „Ich fühle mit den Betroffenen“, bekannte er 2008 in einem Interview. Und so konnte in dieser Krise ein neuer Prozess lokaler Kirchenentwicklung angestoßen werden. Voraussetzung für diesen Neuanfang war das unermüdliche Werben des Bischofs bei allen Beteiligten dafür, nicht müde zu werden und auf die Kraft des Geistes Gottes zu vertrauen.

Das 1200-jährige Bistumsjubiläum nahm Bischof Norbert zum Anlass, in einem in dieser Form bisher nicht dagewesenen Schuldbekenntnis an Verfehlungen im Verlauf der Bistumsgeschichte zu erinnern, zu denen auch die Fälle sexuellen Missbrauchs Minderjähriger durch Geistliche der Diözese gehören. „Beschämt müssen wir bekennen, dass wir zu lange über Missbrauch geschwiegen haben. Erinnern wir uns: Auch im Bistum Hildesheim haben sich Priester an Kindern vergangen, und auch im Bistum Hildesheim haben wir uns lange nicht um die Opfer gekümmert.“ Die begonnene Aufarbeitung sexuellen Missbrauchs gehört wohl zum schwierigsten Kapitel seiner Amtszeit. Oft wurde er angegriffen, nicht genug zu tun, sogar Vertuschung wurde ihm vorgeworfen. Der Bischof hat Fehler eingeräumt. Er versteht sich immer auch als Lernender. Seine Maxime für den Umgang mit dem Missbrauch ist aber unmissverständlich: „Ich bleibe dabei, dass Klarheit und Entschiedenheit der einzig mögliche Umgang mit diesem Thema sind.“

Bischof Norbert setzt sich mit großem persönlichen Engagement für die Verbesserung der Lebenssituation im Partnerland Bolivien ein. Immer wieder hat er den Zusammenhang zwischen Gerechtigkeit und dem Klimawandel hervorgehoben: „Gerade hier in Bolivien werden die Folgen des von Menschen gemachten Klimawandels dramatisch sichtbar. Durch Dürren fallen Ernten aus, mit nahezu katastrophalen Folgen.“ Im Umgang mit der Schöpfung rief er zu einer „mitfühlenden Perspektive“ auf. Beim Besuch des Atommülllagers Asse sagte er: „Die Kirche kann hier als ein Lautverstärker dienen. Sie kann helfen, die Asse in das Bewusstsein vieler Menschen zu bringen, so dass immer mehr Menschen sehen, dass das, was hier passiert, alle angeht.“

Blickwinkel der Seelsorge

Bischof Norbert ist ein pastoraler Bischof, der sein Hirtenamt aus dem Blickwinkel der Seelsorge betreibt. Dabei öffnet er sich den tiefen Anliegen der Menschen, ermutigt, tröstet und hilft. Er will die Menschen aber auch dazu bewegen, nicht bei der Wahrnehmung eigenen Leids stehenzubleiben, sondern auch das Leid der Anderen wahrzunehmen. In dieser Perspektive sieht er nicht nur eine heilsame Kraft vor Ort, sondern für die Welt. Seine Hoffnung für die Welt ist, dass diese Leidempfindlichkeit uns zu einer neuen Friedenspolitik motiviert, die wir gerade in der heutigen Zeit so dringend benötigen.

Mittelgroß, goldgelb und vorwiegend festkochend – das sind die Eigenschaften der Kartoffelsorte Laura. Vor fünf Jahren konnte Norbert Trelle rund einen Zentner dieser Kartoffeln in seinem Garten ernten. Er beteiligte sich damals an der Aktion „Deine Knolle fürs Fest“. Der Erlös aus dem Verkauf der Kartoffeln floss in den „Klimafonds Bolivien“, mit dem Projekte zum Schutz der Umwelt finanziert werden.

Stets an der Seite der Flüchtlinge: Norbert Trelle hat als Vorsitzender der Migrationskommission der Deutschen Bischofskonferenz jahrelang eindringlich Position bezogen für Menschen, die aufgrund von Krieg und Vertreibung ihre Heimat verlassen mussten. Hier ist er mit syrischen Flüchtlingen zu sehen, die er gemeinsam mit dem damaligen Vorsitzenden des Rates der Evangelischen Kirche Deutschlands, Nikolaus Schneider, im Jahr 2013 in einem Lager in Jordanien besucht hat.

Während des Bistumsjubiläums kam es zu zahlreichen Begegnungen mit dem Bischof wie beispielsweise am großen Danketag der Caritas auf dem Domhof.

Ein Mann des Volkes: Bischof Norbert Trelle verteilt während des Bistumsjubiläums Kuchen an hunderte Gläubige, die aus dem ganzen Bistum an den Hildesheimer Domhof gekommen sind. Die Feierlichkeiten zum 1200-jährigen Bestehen der Diözese gehört zu den größten Ereignissen in der Amtszeit Trelles.