Ein herausragender Kopf

Der Hildesheimer Bischof em. Dr. Josef Homeyer wird 80 Jahre alt

Hildesheim (bph) Ein markanter Kopf wird 80 Jahre alt: schnell im Denken und gesegnet mit einer weißen Haarpracht, die den hoch gewachsenen Mann auch äußerlich zu einer Ausnahmeerscheinung macht. Bischof em. Dr. Josef Homeyer, 69. Bischof von Hildesheim von 1983 bis 2004 und ausgewiesener Europaexperte, vollendet am 1. August sein achtes Lebensjahrzehnt. Das Bistum feiert seinen emeritierten Oberhirten am Samstag, 8. August, um 10 Uhr mit einer festlichen Terz im Hildesheimer Dom.

„Ist das wirklich schon fünf Jahre her?“ Josef Homeyer kann selbst kaum glauben, dass er bereits ein halbes Jahrzehnt im Ruhestand ist. 2004 hatte er dem damaligen Papst Johannes Paul II. kurz vor seinem 75. Geburtstag den Rücktritt angeboten, wie es das Kirchenrecht vorsieht. Der Heilige Vater nahm dieses Gesuch im August 2004 an. Seitdem ist es aber kaum ruhiger geworden im Leben des 69. Bischofs von Hildesheim. Gewiss, der Tag am Domhof 28 – wenige Türen vom Bischofshaus entfernt – beginnt heute später. Doch noch immer feiert der Geistliche am Morgen vor dem Frühstück zunächst eine Messe in seiner Hauskapelle. Auch seine langjährige Hauswirtschafterin wie auch – zumindest Teilzeit – die eingearbeitete Sekretärin sind noch für ihn da. Doch statt Konferenzen oder Aktenstudium stehen am Vormittag geistliche Lesungen, theologische Lektüre und Meditationen an. Besonders der orthodoxe Theologe Dumitru Staniloae hat es dem hellwachen Emeritus angetan. Im Moment liest er dessen dreibändiges Werk zur Dogmatik.

Nach dem Mittagessen geht Homeyer gerne spazieren. Oft sieht man seine hohe Gestalt mit schnellen Schritten den Hohnsensee umrunden. Der Nachmittag gehört dann Europa – in Gesprächen und Lektüre. Oft telefoniert der ausgewiesene Europakenner mit Gesprächspartnern vor allem aus Osteuropa, wenn er sie nicht ohnehin besucht. Rund ein Drittel des Jahres ist der ehemalige „Europabischof“ auf Reisen. Nicht im Auftrag, aber in Absprache mit der Kommission der Bischofskonferenzen der EU (ComECE), deren Präsident Homeyer von 1993 bis 2006 war, ist der Bischof in Osteuropa unterwegs. Dabei hat er ein doppeltes Ziel: Zum einen will er die Menschen Osteuropas, die durch den Jugoslawienkrieg „oft über Nacht zu Feinden geworden sind“, wieder miteinander ins Gespräch bringen. Zum anderen wirbt er in Ost und West unermüdlich für ein Zusammenwachsen Europas. Erste „hoffnungsvolle Ansätze“ sind sichtbar: In einigen Ländern Osteuropas gibt es inzwischen „interreligiöse Räte“ und in interreligiösen sozialen Seminaren sollen zukünftige Eliten ausgebildet werden. Bei diesen Projekten steht der Bischof nach eigenen Worten beratend zur Verfügung, „wenn ich von den dortigen Bischofskonferenzen gefragt werde.“ Aufdrängen will er sich auf keinen Fall.

Doch es bleibt noch viel zu tun. Noch immer wisse der Westen Europas zu wenig über die reiche Kultur Osteuropas, bedauert Homeyer. Vor allem über den großen Wert der Familie und der Gastfreundschaft könne man vieles von den Osteuropäern lernen. Sein Vorschlag: Schon der Geschichtsunterricht in der Schule müsse stärker auf den Osten Europas eingehen, und vor allem: öfter einmal östlich der Oder Urlaub machen!

Nationalistisches Denken überwinden

Nach Kräften fördert das ehemalige Oberhaupt des Bistums Hildesheim ein globales und weltweites Denken, das über nationale Grenzen hinaus geht: „Ich bin glücklich, dass ich Zeuge werden durfte, wie die katholische Kirche zu einer echten Weltkirche wurde“, sagt Homeyer, der oft nahe am weltkirchlichen Geschehen war. Noch heute erinnert sich der weißhaarige Mann erschüttert an lange Nächte im Bunker während des Zweiten Weltkriegs. „Warum schießen Christen auf Christen?“, habe er sich damals als kleiner Junge gefragt.

Erst das Zweite Vatikanische Konzil hat nach seinem Eindruck eine entscheidende Wende gebracht: Die Kirche wurde mehr weltlich, sie hat ein neues Verhältnis zur Ökumene, zu den anderen Religionen und auch zur Welt gefunden. Mit Genugtuung verfolgt Homeyer, wie der Papst die Kontakte zu muslimischen Geistlichen intensivierte und sich Theologen beider Religionen inzwischen regelmäßig treffen. Und was ist mit antiwestlichen Gewaltausbrüchen in islamischen Ländern, zum Beispiel nach den dänischen Mohammed-Karikaturen? Das sei nicht repräsentativ für die Muslime, zeigt sich Homeyer überzeugt. „Ich habe mit vielen Muslimen gesprochen und weiß, dass die große Mehrheit den Dialog mit uns will.“ Von einem „Kampf der Kulturen“ zwischen westlichen Werten und dem Islam könne keine Rede sein.

Auch in anderer Hinsicht sieht der Geistliche mit Zuversicht in die Zukunft: Die Menschen sind nach seiner Beobachtung heute nicht weniger, wohl anders fromm als in der Vergangenheit. Und außerdem: „Früher sind mir viele begegnet, die der Kirche gleichgültig oder sogar aggressiv gegenüber standen“, erinnert sich der Bischof, „heute treffe ich auf eine große Offenheit und Neugier gegenüber der Religion“. Das „Dogma“, wonach Religionen in einer modernen Gesellschaft allmählich aussterben müssten, sei jedenfalls längst widerlegt. Und überhaupt: „Die Kirche hat die Zusage Gottes, dass die Pforten der Hölle sie nicht überwältigen werden“, zitiert der Bischof verschmitzt die Bibel, „welche Institution kann das schon von sich behaupten?“

Mit großer Gelassenheit blickt Josef Homeyer auch persönlich nach vorne. Er will es dem „lieben Gott“ überlassen, was der noch mit ihm vorhat. „Ich möchte seiner Barmherzigkeit keine Grenze setzen.“ Irgendwann komme ohnehin die Zeit „wo alles noch schöner sein wird, eine Zeit, wo alles zeitlos ist. Darauf hinzuleben ist ein Geschenk.“ Josef Homeyer klingt wie ein Mensch, der im Reinen ist mit sich und seinem Leben. Wäre es da nicht an der Zeit, dieses reiche Leben aufzuschreiben und eine Autobiographie zu veröffentlichen? „Dafür habe ich keine Zeit“, antwortet der fast 80-Jährige lachend, „ich bin schließlich emeritiert!“

Ein Bauernsohn wird Bischof

Dr. Josef Homeyer wurde am 1. August 1929 in Harsewinkel im Kreis Gütersloh als Sohn eines Bauern geboren. Nach dem Studium der Theologie und Philosophie in Münster und Innsbruck erhielt er 1958 in Münster die Priesterweihe. Seine Kaplansjahre verbrachte er in Warendorf und Mettingen und war Diözesanseelsorger für das Landvolk, später Schulreferent in Münster. 1972 wurde Homeyer Sekretär der Deutschen Bischofskonferenz. In dieser Eigenschaft beeinflusste er maßgeblich wichtige nationale und internationale Entwicklungen, unter anderem die Aussöhnung der polnischen mit der deutschen katholischen Kirche. Am 13. November 1983 weihte ihn der damalige Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz und Erzbischof von Köln, Joseph Kardinal Höffner, im Hildesheimer Dom zum Bischof von Hildesheim. Mitkonsekratoren waren der Metropolit der Kirchenprovinz Paderborn – wozu das Bistum Hildesheim damals gehörte – Erzbischof Johannes Joachim Degenhardt und Homeyers Amtsvorgänger Heinrich Maria Janssen.

Diözesansynode, Benediktinerinnenkloster Marienrode, Forschungsinstitut für Philosophie Hannover (FIPH), Bolivienpartnerschaft, „Friedensgrund“ – das sind nur einige der Begriffe, die man mit der fast 21-jährigen Amtszeit des ehemaligen Hildesheimer Bischofs verbindet. Homeyer hat in diesen zwei Jahrzehnten zahlreiche Projekte und Initiativen angestoßen, die bis heute Bestand haben. Bald nach seiner Weihe am 13. November 1983 berief Homeyer zum Beispiel eine Synode ein, die wichtige Weichenstellungen für die Seelsorge des ausgehenden 20. Jahrhunderts stellte. Als wichtiges spirituelles Zentrum des Bistums etablierte er Kloster Marienrode. Im Mai 1988 konnte Bischof Homeyer zehn Schwestern der Rheingauer Benediktinerinnen-Abtei St. Hildegard für den Umzug nach Marienrode gewinnen. Seit 1998 bilden die Schwestern ein selbstständiges Benediktinerinnen-Priorat und sind durch ihr Exerzitienhaus überregional bekannt geworden. Ebenso förderte er eine benediktinische „Cella“ in Hannover wie auch eine Gemeinschaft der „Kleinen Schwestern Jesu“ in einem schwierigen Wohnviertel in Hannover.

Homeyer lag immer die Jugendarbeit am Herzen. In seiner Amtszeit hat sich die Chrisammesse in der Osterwoche zu einer Jugendmesse entwickelt, bei der sich junge Katholiken vom Harz und von der Heide, von der Weser und der Nordsee treffen und gemeinsam ihren Glauben feiern. Bistumsweite Ausstrahlung haben auch die „Jugendvespern“, zu denen der Diözesanjugendseelsorger alle zwei Monate in die Marienroder Klosterkirche einlädt. Mit seinem „Friedensgrund“ wollte das geistliche Oberhaupt des Hildesheimer Bistums junge Menschen zusammen bringen und vor allem die Bindungen mit Osteuropa stärken: Seit 1990 machen sich jeden Sommer deutsche Jugendliche auf den Weg nach Osten, um dort mit Gleichaltrigen aus etwa zehn osteuropäischen Ländern gemeinsam zu leben, zu beten und zu arbeiten. Dieses internationale Zeltlager bringt regelmäßig mehr als 100 Jugendliche zusammen, darunter viele Orthodoxe.

Im Jahre 1988 wurde auf Homeyers Veranlassung das „Forschungsinstitut für Philosophie Hannover“ (FIPH) errichtet, das sich mit seiner interdisziplinären Ausrichtung im Grenzbereich zwischen Philosophie, Theologie und Soziologie einen guten Ruf erworben hat.

Wissenschaft, Spiritualität, Partnerschaft

Wer auf die fast 21-jährige Amtszeit Homeyers zurück blickt, der muss auch die Partnerschaft mit Bolivien erwähnen. Seinem Einsatz ist es ganz wesentlich zu verdanken, dass sich diese Partnerschaft aus den kleinen Wurzeln Mitte der 80er Jahre zu einem wichtigen Projekt des gesamten Bistums entwickelt hat. „Partnerschaft, nicht Patenschaft“ stellte der Bischof immer wieder klar. Die Kirche von Bolivien habe den Menschen im Bistum Hildesheim mindestens ebenso viel zu geben wie umgekehrt, sagt Homeyer.

Markanter Meilenstein seines überdiözesanen Wirkens im Bereich Gesellschafts- und Sozialpolitik war das 1997 erschienene gemeinsame Sozialwort der katholischen und evangelischen Kirche „Für eine Zukunft in Solidarität und Gerechtigkeit“, das wesentlich im Hildesheimer Bischofshaus entstanden ist. Seine Fortsetzung und Ergänzung fand dieses Sozialwort in dem viel beachteten und diskutierten Impulspapier „Das Soziale neu denken“, das ebenfalls unter Homeyers Federführung verfasst und im Dezember 2003 vorgestellt wurde.

Homeyer war unter anderem ab 1989 Mitglied und ab 1993 Präsident der Kommission der Bischofskonferenzen der EU (ComECE) und Mitglied im Präsidium des Rates der Europäischen Bischofskonferenzen (CCEE), außerdem Mitglied der Kontaktgruppe der Polnischen und der Deutschen Bischofskonferenz. Innerhalb der Deutschen Bischofskonferenz leitete er als Vorsitzender die „Kommission für gesellschaftliche und soziale Fragen“ und war Mitglied in der Kommission Weltkirche, des evangelisch-katholischen Kontaktgesprächskreises und der gemeinsamen Konferenz der Deutschen Bischofskonferenz (DBK) und des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK).

Ausdruck seiner Wertschätzung ist die Auszeichnung mit dem „Offizierkreuz des Polnischen Verdienstordens“ im März 2002 und die Verleihung des Ordens des Heiligen Sava durch die Serbisch-Orthodoxe Kirche im Juni 2006. Der Fachbereich Erziehungswissenschaften der Universität Hannover trug ihm im November 2002 die Ehrendoktorwürde an. Im September 2004 wurde Homeyer die Niedersächsische Landesmedaille und im November 2005 der Edith-Stein-Preis Göttingen verliehen. Seine Bischofsstadt Hildesheim machte ihn im Juni 2005 zum Ehrenbürger.

Spenden statt Geschenke

Bischof em. Dr. Josef Homeyer bittet darum, von persönlichen Geschenken zu seinem 80. Geburtstag Abstand zu nehmen. Dankbar wäre er für eine Spende zugunsten der Restaurierung des Godehardschreins im Hildesheimer Dom, der zu den ältesten erhaltenen Reliquienschreinen des Mittelalters zählt. Der Godehardschrein ist um 1140 entstanden und Teil des UNESCO-Welterbes.

Spenden werden erbeten auf das Konto mit der Nummer 1 404 200 (BLZ 251 205 10) bei der Bank für Sozialwirtschaft; Empfänger: Bistum Hildesheim, Verwendungszweck „Dom2015“.