Er schrieb Domgeschichte!

Diözesankonservator Prof. Dr. Karl Bernhard Kruse wird verabschiedet

Er war der tiefgründigste Mann am Hildesheimer Domhof, ein Freund der Steine, bester Kenner des Doms und mit seinem Vollbart eine markante Erscheinung zwischen Generalvikariat und Grube: Prof. Dr. Karl Bernhard Kruse (61), Diözesankonservator und Leiter der Kirchlichen Denkmalpflege im Bistum Hildesheim, geht in den Ruhestand und wird am Donnerstag, 28. Februar, um 10 Uhr mit einer Eucharistiefeier in der St. Magdalenenkirche in Hildesheim offiziell verabschiedet.

 

 

Es ist ein Abschied auf Raten: Offiziell genießt Prof. Kruse schon seit dem 1. September 2012 die passive Phase seiner Altersteilzeit, durfte aber die archäologischen Grabungen am Dom noch bis in diese Tage fortführen. In den nächsten Monaten und Jahren will der Architekt und Theologe diese Grabungsergebnisse nun wissenschaftlich auswerten und dann als Buch veröffentlichen. Außerdem wird er seine Vertretungsprofessur in Baugeschichte und Bauforschung an der Technischen Universität Braunschweig, die er seit 2007 innehat, mindestens noch im kommenden Sommersemester fortführen, vielleicht darüber hinaus. Ein gefragter Fachmann bleibt Kruse also auch in Zukunft.

In die Wiege war ihm das wahrlich nicht gelegt worden. 1952 wurde Karl Bernhard Kruse als Kind tief gläubiger Eltern in Kiel geboren. „Ich bin ein Arbeiterkind“, sagt Kruse nicht ohne Stolz, sein Vater war Eisenbahner, die Mutter Pelznäherin. Neben dem begabten Jungen mussten noch sechs weitere Geschwister ernährt werden. Karl Bernhard machte zunächst die Mittlere Reife. Damals wollte er allerdings Priester werden, wozu er das Abitur benötigte. Das legte er schließlich 1973 bei den Franziskanern auf deren Kolleg in Vlodrop ab.

Ein Gefühl sagte ihm dann aber, dass er neben der Theologie „noch etwas Handfestes“ brauche und so schrieb sich Kruse 1973 in München an der Ludwig-Maximilians-Universität für Theologie und zugleich an der Technischen Universität für Architektur ein. Das Diplom in Architektur legte er 1978 ab, zwei Jahre später auch das Diplom der Theologie. Erste Berufserfahrung sammelte der Theologen-Architekt dann als wissenschaftlicher Assistent an der Technischen Universität München, später als Bauhistoriker in Lübeck, wo er sich unter anderem mit dem Heiliggeisthospital beschäftigte, über das er 1992 seine Doktorarbeit schrieb. Der ursprüngliche Berufswunsch Priester geriet da irgendwann aus den Augen: „Spätestens nach einem Gemeindepraktikum wusste ich, dass die Seelsorge doch nicht ganz das Richtige für mich ist“, bekennt Kruse heute ehrlich. Außerdem hatte er 1977 geheiratet.

Umso zielstrebiger verfolgte Kruse seine archäologische Karriere und wechselte 1984 an das Landesamt für Denkmalpflege in Hannover. In jenen Jahren erwachte sein Interesse für die Baugeschichte des Hildesheimer Domhofs samt seiner Bischofskirche. Die Forschungsergebnisse der 80er und 90er Jahre flossen in eine große Habilitationsarbeit ein, die Kruse im Jahre 2000 vorlegte. Da stand er längst in Diensten des Bistums Hildesheim, seit 1. April 1987 leitete Kruse offiziell dessen Kirchliche Denkmalpflege und durfte sich „Diözesankonservator“ nennen.

Doch in den vergangenen knapp 29 Jahren am Hildesheimer Domhof hat der gelernte Architekt – „das archäologische Wissen habe ich mir bei anderen abgeschaut“ – weit mehr getan als zu graben und zu schreiben. So stieß er unter anderem die Inventarisierung der Innenräume aller Kirchen des Bistums an, die in den nächsten Jahren beendet werden soll. Auch die vierjährige Restaurierung des berühmten Hezilo-Leuchters ist mit seinem Namen verbunden. Dennoch bringt man ihn zu Recht vor allem mit der Baugeschichte des Doms und der angrenzenden Gebäude in Verbindung. Als das Bistum seinen Dom 2010 für eine grundlegende Sanierung schloss, nutzte Kruse die historische Chance, um an verschiedenen Stellen zu graben und damit frühere Forschungsergebnisse zu überprüfen. Manch spektakulärer Fund ist ihm dabei gelungen, etwa die Knochenreste einer jungen Frau samt Grabbeigaben. Nachhaltig hat Kruse dabei die Gründungslegende des Bistums erschüttert und nachgewiesen, dass der Domhof schon vor dem Jahre 815 – dem Jahr der Gründung durch Ludwig den Frommen – besiedelt war. „Die Zeit vor 815 hat mich immer ganz besonders interessiert“ bekennt der scheidende Diözesankonservator.

Doch faszinierte ihn all die Jahre auch ein ganz anderer Kulturkreis: das ferne Japan. Mit seiner Frau hat Kruse vor Jahren in Eberholzen bei Hildesheim einen Resthof gekauft und einen japanischen Garten angelegt. Natürlich darf dort ein japanisches Teehaus nicht fehlen, wo der ausgebildete „Teelehrer“ vollendet die Teezubereitung zelebriert. Wenn ihm dann noch Zeit bleibt, übt sich Kruse im japanischen Bogenschießen auf dem Dachboden von Kloster Marienrode. „Bei dieser Sportart ist das Treffen nicht das Wichtigste“, erklärt Kruse. „Viel wichtiger ist, Körper und Geist zu beherrschen und mit dem Bogen eins zu werden.“ Der Theologe und Architekt – er ist auch ein Ästhet.