Menschenbild der Sterbenden beachten

Niedersächsische Justizministerin warnt vor Regelungswut bei Patientenverfügungen

Goslar (bph) Die niedersächsische Justizministerin Elisabeth Heister-Neumann hat sich erneut klar gegen die aktive Sterbehilfe, aber für mehr palliativmedizinische Angebote und die Hospizbewegung ausgesprochen. Beim Akademieabend „Sterbehilfe und Patientenverfügung“ im St. Jakobushaus Goslar, Akademie des Bistums Hildesheim, warnte sie am Samstagabend zugleich davor, die Politik in Sachen Patientenverfügungen zu überfordern.

Im Herbst 2006 hatte der Juristentag gefordert, die Sterbehilfe gesetzlich zu regeln. Klärungsbedarf sieht auch die niedersächsische Justizministerin. Zwar sei die aktive Sterbehilfe klar verboten und passive Sterbehilfe als Unterlassen lebensverlängernder Maßnahmen grundsätzlich erlaubt. Aber da beginnen für Heister-Neumann bereits die Probleme: „Darf man lebensverlängernde Maßnahmen gegebenenfalls erst in den letzten Todesstunden oder bereits Wochen und Monate vor dem wahrscheinlichen Tod aussetzen?“ so umriss sie eines der ungelösten Probleme. „Da sind sich selbst Experten uneins. Solche Fragen wird man gesetzlich niemals endgültig regeln können“, dämpfte die Justizministerin in Goslar all zu hohe Erwartungen an die Politik in Berlin.

Eine Patientenverfügung kann immer nur Hinweis auf den Willen eines Menschen sein, stellte auch Referentin Dr. Almut Geyer, Notärztin und Palliativmedizinerin der Universität Göttingen, beim sehr gut besuchten Akademieabend klar: Unmöglich könne man jemals alle möglichen Eventualitäten voraussehen und dafür Verfügungen treffen. Möglicherweise seien der Medizin in einigen Jahren Dinge möglich, die heute noch nicht absehbar seien. Patientenverfügungen sollten daher regelmäßig erneuert und gegebenenfalls ergänz werden, rieten die Ärztin und die Justizministerin übereinstimmend. Günstig sei, in einer Patientenverfügung das eigene Menschenbild zu beschreiben, um den Angehörigen und Ärzten im Falle einer unheilbaren Krankheit Hinweise auf den eigenen Willen zu geben. Am Ende aber gilt für beide vor allem: „Man muss im richtigen Moment auch loslassen können!“

Eine klare Absage erteilten Ärztin und Juristin dem Verein „Dignitas“ aus der Schweiz, der Lebensmüden auch von Deutschland aus zu einem sanften Tod verhelfen möchte. Nach Ansicht beider geht es diesem Verein nicht zuletzt um das Geld. Sie habe die Erfahrung gemacht, dass todkranke Menschen keine aktive Sterbehilfe mehr wünschen, wenn man ihnen eine gute Behandlung und Begleitung anbiete, berichtete Palliativmedizinerin Geyer aus ihrer Praxis. Und Heister-Neumann gab mit Blick auf die demographische Entwicklung zu bedenken: „Es wird in Zukunft immer mehr vereinsamte alte Menschen geben. Erlauben wir die aktive Sterbehilfe, könnte der Druck auf diese Menschen wachsen, sich umzubringen.“

Dr. phil. Dipl. theol. Andreas Fritzsche nutzte diesen Akademieabend, um sich in einer bewegten Abschlussrede als Akademiedirektor zu verabschieden. Fritzsche wechselt Ende des Monats an die Universität Lüneburg. In Goslar habe er wichtige Jahre seines Lebens verbracht, auf die er immer gerne zurückblicken werden“, sagte Fritzsche zum Abschied.