Rückblick des Diözesanadministrators

Interview der KirchenZeitung mit Weihbischof Dr. Nikolaus Schwerdtfeger

Als Diözesanadministrator war Weihbischof Dr. Nikolaus Schwerdtfeger in den letzen Monaten für die Diözese Hildesheim verantwortlich. Im Interview mit der KirchenZeitung blickt er auf diese Aufgabe zurück, die mit der Weihe von Dr. Heiner Wilmer zum 71. Bischof von Hildesheim am 1. September endet. 

Herr Weihbischof, wie haben Sie die Zeit als Diözesanadministrator empfunden, war es eher eine Belas­tung oder hat dieses Amt Ihnen auch Freude bereitet?

Zu den bisherigen weiterlaufenden Aufgaben ein zusätzliches Amt dieser Art zu übernehmen, ist schon zu spüren. Gefreut habe ich mich aber über den Beistand, den ich erfahren habe: Durch die Mitarbeitenden im Bischofshaus, im Generalvikariat und bei der Caritas, im Kreis der Dechanten, beim Diözesanratsvorsitzenden, durch die Personalkonferenz, den Beraterstab und vor allem auch durch das Domkapitel. Und natürlich tun zahllose Priester, Dia­kone, Haupt- und Ehrenamtliche im ganzen Bistum wie selbstverständlich weiter ihren Dienst, ganz gleich, wer an der Spitze des Bistums steht – weil ihnen die Menschen vor Ort wichtig sind. Viele haben zu mir auch gesagt: Ich bete für Sie. Besonders dankbar bin ich für die treue Solidarität und die große Unterstützung durch meinen Ständigen Vertreter, Weihbischof Heinz-Günter Bongartz.

Was war für Sie die schwerste Aufgabe? 

Bereits vor der Wahl zum Diözesanadministrator war mir klar, dass die Vorstellung der Missbrauchsstudie auf mich zukommen würde. Das lag durchaus wie ein dunkler Berg vor mir. Ich wusste allerdings, dass ich ihm nicht ausweichen durfte und wollte. Ich habe dann eine Reihe intensiver Gespräche erlebt, in denen entschieden und mitfühlend Partei für die Opfer ergriffen wurde. Meine Hoffnung war und ist es, dass wir auf diese Weise Licht in ein dunkles Kapitel unserer Kirche bringen und zugleich auf eine Atmosphäre der Achtsamkeit hinwirken, um in Zukunft Unrecht zu verhindern. Auch nach der Veröffentlichung des Gutachtens sind die Gespräche auf verschiedenen Ebenen weitergegangen. Und wir müssen noch realisieren, wie tief die Verstörung und der Vertrauensverlust sind, zu der der Missbrauchsskandal für uns als Kirche insgesamt geführt hat. Welche Konsequenzen hat das? Diese Frage wird uns in Zukunft noch sehr beschäftigen.

Gab es noch anderes, auf das Sie gern verzichtet hätten?

In der Leitung zu stehen bedeutet auch, Personalentscheidungen zu treffen. Ich will nicht sagen, dass ich gern darauf verzichtet hätte; das gehört mit dazu. Aber ich weiß, dass es – trotz Beratung und persönlicher Gespräche mit den Betroffenen – nicht leicht ist, einem anderen wirklich gerecht zu werden. Am Ende muss man entscheiden. Ich hoffe, dass sich meine wichtigeren Entscheidungen doch als angemessen und zuträglich erweisen. 

Welche Aufgaben haben Sie besonders gern übernommen?

In der Heiligen Woche von Palmsonntag bis Ostern habe ich gern mit vielen Menschen die Liturgie im Dom gefeiert. Ich fand es herausfordernd und berührend zugleich, das Österliche Geheimnis, die Mitte unseres Glaubens, zur Sprache zu bringen. Hoffnungsvoll und ermutigend habe ich auch die Chrisam-Messe empfunden oder Anfang des Jahres den Sternsingergottesdienst. Beide Male war der Dom voll von jungen Menschen. Eine unvergessene Erfahrung war auch die Begegnung mit angehenden Pflegekräften, zu der ich angesichts des Pflegenotstands eingeladen war. Ich war angetan von ihrem Elan und ihrer Wertschätzung kranker und alter Menschen. 

Wie hat man Sie in der Bischofskonferenz in der „Liga“ der Diözesanbischöfe aufgenommen? Wird man dort als Bistumsleiter mehr gehört?

Ja, der Ständige Rat, also die regelmäßige Konferenz der Diözesanbischöfe, ist schon eine etwas andere „Liga“: Der Einzelne darin hat mehr Verantwortung. Neben den beiden Vollversammlungen im Frühjahr und Herbst trifft man sich häufiger. Der Kreis ist überschaubar, es fällt leichter, sich einzubringen und ein offenes Wort zu sagen. Gut fand ich es, dass ich mich an der Diskussion um die Orientierungshilfe für konfessionsverbindende Ehen noch unmittelbarer beteiligen konnte. Insgesamt herrscht hier wie in der ganzen Bischofskonferenz eine brüderliche Atmosphäre, wobei Brüder natürlich auch nicht immer einer Meinung sind.  

Haben Sie als Diözesanadministrator das Bistum aus einer anderen Perspektive betrachtet und kennengelernt?

Vielleicht stärker als zuvor habe ich in diesem Jahr die ernstlichen Erkrankungen verschiedener aktiver Pfarrer wahrgenommen. Ihr gesundheitlicher Einbruch geht mir nahe. Ich frage mich, ob das auch ein Spiegelbild unserer gesamten pastoralen und kirchlichen Entwicklung ist. Über dieses Jahr hinaus bleibt mir als große Frage, wie wir Gott so bezeugen können, dass er Menschen wirklich berührt. Die hohe Zahl der aus der Kirche Ausgetretenen sollte uns Anstoß sein, die Gottesfrage intensiv zu stellen. Dann wiederum sehe ich hier bei uns in St. Oliver in Laatzen Jugendliche, die begeistert von der Ministrantenwallfahrt aus Rom kommen, und denke: Es wird schon gut werden! 

Hatten Sie die Möglichkeit, als Diö­zesanadministrator auch Weichen für die Zukunft des Bistums zu stellen?

Als Diözesanadministrator muss man wissen, wo man steht. Die Bestimmung des Kirchenrechts ist klar: „Während der Sedisvakanz darf nichts verändert werden.“

Sind Sie froh, in wenigen Tagen die Verantwortung komplett in Pater Heiner Wilmers Arme zu legen?

Ich wusste, dass diese Verantwortung zeitlich mehr oder weniger eng begrenzt ist. Ich bin guter Dinge im Blick darauf, dass in wenigen Tagen Pater Wilmer zum Bischof geweiht wird und er damit die bischöfliche Verantwortung für unser Bistum übernimmt. Ich will ihn darin gern nach Kräften unterstützen. 

Wann genau endet Ihre Zeit als Diözesanadministrator?

Mit der Weihe von Pater Wilmer zu unserem neuen Bischof, also am 1. September. 

Gab es schon jetzt vor der Weihe von Pater Wilmer eine Übergabe der Dienstgeschäfte oder kommt das erst danach?

Wir haben bereits Gespräche geführt und weitere vereinbart, in denen wir wichtige Dinge in den Blick genommen haben – beziehungsweise noch nehmen werden. 

Wenn Sie nicht mehr in der Pflicht des Diö­zesanadministrators sind, auf was freuen Sie sich am meisten – zum Beispiel auf Urlaub?

Urlaub konnte ich jetzt schon nehmen und ich hatte einen schönen Urlaub. Ich freue mich auf die Zusammenarbeit mit unserem neuen Bischof und anderen, die im Bistum Verantwortung tragen, um gemeinsam weiter nach Wegen zu suchen, wie Glaube und Kirche heute geht. 

Werden Sie etwas vermissen?

Die leitenden katholischen und evangelischen Bischöfe Niedersachsens treffen sich regelmäßig. Zweimal war ich in den letzten Monaten mit dabei. Diese Begegnungen beispielsweise werde ich schon vermissen. Denn ich habe dabei eine angenehme Gastfreundschaft und ein gutes und offenes ökumenisches Klima erlebt.

Interview: Edmund Deppe