Zukunftsvergessene Deutsche

Das „1. Juristenforum Celle“ widmete sich dem Generationenrecht

Celle (bph/kiz) Familienwahlrecht, Mehrgenerationenhäuser, transparente Finanzströme – nur drei der Forderungen, mit denen Prof. Dr. Paul Kirchhof und Prof. Dr. Notburga Ott vor wenigen Tagen beim 1. Juristenforum Celle im Celler Schloss auftraten. Diese hochrangig besetzte Veranstaltung des Katholischen Forum Niedersachsen stand unter dem Thema „Generationenrecht“.

Beim Kapitalbesitz liegt Deutschland weltweit an siebter Stelle, bei der Geburtenrate auf Platz 185. Schon in zwanzig Jahren wird es mehr 60- bis 80-Jährige geben als 20- bis 60-Jährige. Paul Kirchhof, Professor für öffentliches Recht in Heidelberg und lange Zeit Richter am Bundesverfassungsgericht, gibt den „familien- und elternfeindlichen Umverteilungsmechanismen in unserer Gesellschaft“ eine Mitschuld an der Kinderunlust der Deutschen: „Die, die am meisten zum Generationenvertrag beitragen, nämlich die Mütter, bekommen am Schluss das Wenigste heraus.“ Das Rentensystem sei eine „Enteignung der Mütter“ empört sich der Jurist. „Wenn wir mehr Kinder brauchen, müssen wir die Mütter anders fördern“, sagt Kirchhof. „Die Deutschen sind in entscheidenden Fragen zukunftsvergessen.“ In diesem Zusammenhang fordert Kirchhof auch, das Familienwahlrecht einzuführen.

Eine Analyse, die auch Notburga Ott teilt, Professorin für Sozialpolitik und öffentliche Wirtschaft an der Ruhr-Universität Bochum und Mitglied des wissenschaftlichen Beirats für Familienfragen beim Bundesfamilienministerium. „Unser Rentensystem schafft Anreize, keine Kinder zu bekommen“, sagt sie. Dies sei eine Fehlkonstruktion.

Kirchhof geht es um die Stärkung der Familie. „Warum gibt der Staat Geld für Erzieherinnen und Lehrerinnen aus, nicht aber für Mütter, die ihre Kinder betreuen?“, fragt er. Und er möchte ein Recht für Mütter, die ihre Ausbildung oder ihre Berufstätigkeit für die Kinder unterbrechen, dass sie später an ihren Arbeitsplatz zurückkehren können und bevorzugt behandelt werden.

Ansätze für ein neues Zusammenleben der Generationen sieht Notburga Ott zum Beispiel in Mehrgenerationenhäusern oder Patenschaften für Auszubildende. Was sie festgestellt hat: Alle Generationen fühlen sich heute durch das System von Abgaben und Leistungen in irgendeiner Weise benachteiligt. Daher ihre Forderung: Die Finanzströme transparenter machen, erklären, wer weshalb wie viel bezahlt beziehungsweise bekommt.

Erstmals hat das Katholische Forum Niedersachsen zum „Celler Juristenforum“ eingeladen. 140 Männer und Frauen, vor allem Richter, aus vielen Teilen Niedersachsens, sind der Einladung in das Celler Schloss gefolgt. Die geschlossene Veranstaltung soll künftig jährlich stattfinden und eine Plattforum zur Debatte grundlegender juristischer, insbesondere rechtspolitischer Fragen schaffen.

Das Katholische Forum Niedersachsen wurde 2002 von den Bistümern Hildesheim, Osnabrück und dem Bischöflichen Offizialat Vechta gegründet. Es will politische Diskussionen kritisch begleiten und dabei katholische Positionen einbringen. Das Forum wendet sich an Führungskräfte und Fachleute.